16.05.2025 Hammamat Ma'in | ᐸ ᐳ ᐱ |
Ich verlasse die Stadt nach Südwesten heraus auf ein Hochplateau, das für 20 Kilometer einfach mal die Höhe hält. Es geht durch Vororte und Stadtvillen, Neubaugebiete und abgeerntete Felder, die durch die Beduinen bewohnt werden. Je südlicher ich kam, desto domestizierter wurden auch ihre Hunde. Ich werde zwar immer noch angebellt, aber die Zähne werden nicht mehr gefletscht und sie bleiben auf Abstand. Es tut gut und ist mega entspannend, einfach mal durchziehe zu können und Strecke zu machen. Viele passierende Autos hupen zum Gruß, wollen mich mitnehmen, wollen wissen, was ich hier mache und so weiter. Irgendwann galoppt es hinter mir. Eine Art Atreju mit Artax schließt zu mir auf. Neugierig wie alle. Ich darf auf seinem Pferd mitreiten, meint er, oder zumindest mein Rucksack! Nettes Angebot, aber ohne Sattel und dann ich da drauf. Wie soll das gehen. Er ist ein bisschen enttäuscht und ich kann nicht viel daran ändern. Mir ist auch ehrlich gesagt einfach nur dach hypnotischem Laufen zu Mute.
Das 850 Meter hohe Plateau fällt dann irgendwann nach 20 Kilometern abrupt ab ins Jordantal, das 1050 Meter unter mir liegt. Und zum ersten Mal sehe ich mein Endziel für dieses Jahr: Das tote Meer. Die Landschaft verändert sich abrupt und gänzlich zur Wüste, als es den Hang langsam hinab führt. Fast nichts wächst hier mehr. Windstille, 40 Grad. Wenn ich nicht Sauna-affin wäre, würde ich jetzt wohl durchdrehen. Der Wasserverbrauch ist abartig. 6 Liter brauche ich und meine Lippen werden spröde. Wenn ich wieder hier sein sollte, dann sicherlich nicht mehr zu dieser Jahreszeit. Es ist zu spät im Jahr für diese Gegend. Und da hätte ich noch quer durchs Gebirge gehen sollen und Wegweiser-Raten spielen? Eine weise Entscheidung war das mit Madaba, sag ich mir. 10 Kilometer mehr Straße mehme ich in Kauf. Das Tote Meer liegt einfach da und sieht aus, als wäre da nochmal blauer Himmel unter den gegenüberliegendem Berghängen von Israel. Die Grenze geht mitten durch den See. Nichts bewegt sich darin. Meine Straße schlängelt sich ewig durch die Wüste. Ich passiere auch den offiziellen Weg wieder, der einen Berg auf dem kürzesten Weg passieren will, nämlich oben rüber. Nicht mit mir. Unser Ziel ist das selbe. Gegen 17 Uhr ersr erreiche ich das Kerbtal, in dem mein Ziel für diesen Teil des Jordan Trails liegt: die heißen Quellen von Ma'in. Eine richtige Oase, wie man sie sich vorstellt. Ringsherum Wüste und Felsen in Weiß und Schwarz und dazwischen ein dünner grüner Streifen mit Palmen und Wasserfällen. Da kommt aber viel Wasser heraus. So viel, dass hier ein öffentliches Bad entstanden ist, wo man unter den Wasserfällen planschen kann. 42 Grad heiß ist es. Die schwarzen Felsen und der latente Schwefelgeruch verraten auch, dass das hier vulkanischen Uraprungs sein muss. Hier hab ich mir ein Hotel gebucht, dass für das erste Zwischenziel würdig ist: mein allererster 5-Sterne-Schuppen. Mit eigenem Wasserfall, in dem man die ganze Nacht hindurch planschen darf. Und Natur-Dampfbad mit 60 Grad! Uuuh... da stecke ich jetzt meine armen armen Glieder rein, die seit gestern komischerweise anfangen zu krampfen. Mangelerscheinungen? Ist glaub ich ganz gut, dass es ab jetzt entspannter wird. Das Hotel sieht aus wie die Bali-Therme, ist aber wohl schon zwei Generationen alt. Es steckt wie ein Damm mitten im Kerbtal. Mehr Schlafmöglichkeiten gibt es nicht. Gut, wildcampen. Aber hier sind hunderte Menschem, die überall campen. Das wäre mir zu improvisiert. Einen weiteren Blondschopf erspähe ich, als ich beim öffentlichen Bad ein paar von meinem neuen Oberlieblingsgetränken "Barbican" einkaufe. Ein weiterer Hiker! Na wahnsinn, der erste, den ich sehe. Er wird genauso belagert wie ich. Wir grüßen uns, aber mehr kam nicht zustande.
Staffel 3 ist nach weiteren vier Etappen damit beendet. Der Jordan Trail steht vorerst auf Pause. Ich muss sagen, bislang hat jeder Tag irgendwas Unerwartetes und Abwechslungsreiches gebracht und ich hab über die Menschen echt schnell viel gelernt hier. Vor allem eins: Mag sein, dass sie ein Müllproblem haben, aber Aufrichtigkeit, Hilfs- und Gastfreundschaft ist ein Kukturfundament hier. Die Supermärkte in den Städten haben ihre Sachen teilweise einfach auf der Straße rumgestapelt. Eigentlich könnte man sich einfach so bedienen. Tut aber keiner. Macht man nicht, sagt der Koran. Und Religion, Brauchtum und Sitte sind im Gegensatz zu uns omnipräsent hier. Ich habe jedenfalls schnell gemerkt, dass der Kontakt ein anderer ist, wenn ich lange Hosen und ein geschlossenes Hemd trage. Das ist das krasse Gegenteil der Kanaren, wo man rumlaufen kann, wie man will, wo Nacktheit sogar gesetzlich erlaubt ist. Hier definitiv nicht. Wenn einheimische Frauen hier schwimmen gehen, dann in Ganzkörperanzügen. Bikinis... das sind immer nur Touristen.
Aber die Menschen, die ich beobachten konnte während der letzten 250 Kikometer helfen sich alle untereinander, ob Freund oder fremd. Ich brauche nur den Arm zu heben und nach unten zu zeigen, schon bleibt ein Auto stehen und will helfen. Per Anhalter fahren ist beständigeres Transportmittel als Linienverkehr. Deswegen gibt's auch kaum welchen. Ich habe viele Leute auf Leitplanken gesehen, die mitgenommen werden wollten. Eins zwei Autos anwinken und schon werden sie mitgenommen, ob Erwachsene oder Kinder. Nur der Umgang mit Frauen ist komplex und hat sich mir noch nicht gänzlich erschlossen. Die Spanne schwankt von sehr westlich ohne Kopftuch zu sehr konservativ mit gänzlich verschlossener Burka, von scheu und angewandt bis kontaktfreudig uns neugierig. Männer grüßen mich alle, Frauen nur, wenn ein Mann dabei ist.
Morgen geht's weiter zum toten Meer. Ich bin saugespannt, bleibe aber morgen noch lange hier. Wenn ein Hot Pot sooo lange aufhat, muss ich das ausnutzen.