15.05.2025 Madaba | ᐸ ᐳ ᐱ |
Um sieben Uhr bin ich bereit zum Weitergehen und richtig ausgeruht. Viele Schafsherden nutzen die Morgenkühle zum... grasen... eher zum anknabbern. Gras ist nicht, nur Dornengestrüpp. Unter 20 Grad sinds und ich komme prima voran. Erstes Etappenziel: die berühmte Moses Quelle... jaja, genau die, wo Moses auf den Fels geschlagen hat und es öffnete sich der Berg und es trat Wasser heraus. Erst laufe ich schön dran vorbei. Dachte, ich bin schlauer als der Wef und nehme lieber die Straße... nur um 200 Höhenmeter weiter festzustellen, dass da unten die sechs Eukalyptusbäume sind, die über der Quelle gewachsen sind. Mist. Hin und herüberlegen... Haaach Mann, ich bin nur einmal hier. Ich verstecke also meinen Rucksack im Gebüsch und stakse nochmal runter. Ich meine, das ist ja die heilige Mosesquelle. Da muss doch was Bedeutsames geschehen!
Ich komme unten an und muss schon sagen, die grüne Kerbe leuchtet sehr prägnant aus dem Fels in der ansonsten wüstenhaften Umgebung. Hier also ist dann Moses, als er das Volk Israel ins gelobte Land geführt hat, also auch gewesen. 40 Jahre hat er gebraucht von Ägypten nach Israel?! Das kommt mir doch etwas lahm vor. Aber gut, vor 3300 Jahren mag die Infrastruktur schmal gewesen sein. Die römischen Straßennetz war auch noch nicht da. Aber die Quelle sprudelt noch heute. Niemand ist hier. Das ist auch kein Touristenort, ganz im Gegenteil. Auf der Felsplatte direkt über der Quelle steht ein Bagger. Irgendwas wird hier mit schwerem Gerät grbaut. Ob die Quelle erschlossen werden soll? Noch ist es nicht soweit. In der Felsspalte rieselt ein Wasserfall, Farne wachsen an der Decke. Bäume wachsen von oben nach unten... na wenn das nicht schon biblisch ist... Ich trinke einen Schluck vom Wasser, dort, wo es direkt aus der Spalte kommt. Und was soll ich sagen... Ich spüre was! Der Wind böht auf. Die Sonne schält sich aus dem Wolken... Ich spüre Flüssigkeit die Speiseröhre hinabfließen. Hm. Ich Stelle mich hin und warte weiter ab. Das Wasser ist relativ warm und schmeckt erstaunlicherweise nach Wasser. Was hab ich erwartet. Trotzdem ein komisch erhabenes Gefühl. Wasser in dieser Form ist nicht selbstverständlich für Jordanien. Es ist nur logisch, dass daraus eine bedeutsame Geschichte wird. Ob nun wahr oder als Metapher, die Quelle ist hier und wurde weltberühmt.
Ich muss den Berg hinauf. Da steht ne schlichte Kapelle auf so einem Hügel. Ab da verläuft eine Schnellstraße neun Kilometer lang direkt nach Madaba. Nur der Weg dahin... ich weiß nicht, was man sich dabei gedacht hat den Wanderweg im steilstmöglichen Winkel zu markieren. Es kostet Körner ohne Ende. Also ich oben ankomme bin ich völlig fertig... und stehe vor neun Reisebussen und Nationen aller Art. Was hab ich denn verpasst? Ach... Die komische Kapelle offenbart sich als Mount Nebo... sagt das Straßenschild. Hier ist was Bedeutsames. Ich habe nur keine Ahnung, was das sein soll, muss ich mir eingestehen. Frau Isermann aus dem Kommunionsunterricht würde mich unbelesenen Banausen lebendig grillen. Egal. Gekocht und gar bin ich auch so. Zwei junge Jordanier kommen im Touri-Gewimmel direkt zu mir, winken mich an. Sie hätten mich schon über eine halbe Stunde beobachtet. Was mach ich denn da unten jnd warum sehe ich aus wie aus dem Dampfgarer entsprungen und mit Sand garniert? Jordan Trail, sag ich und erkläre. Sie sind sehr beeindruckt, gehen zu einem Ticketschalter, zeigen auf mich. "Allmann" verstehe ich und Gestikulieren. Dann ich komme umsonst hinein. Hier ist eine, oder besser gesagt, DIE Moses-Gedenkstätte. Eine Basilika stand hier. Viele Mosaike wurden Anfang der Dreißiger freigelegt. Papst Johannes Paul II. hat hier vor 25 Jahren ein Olivenbäumchen gepflanzt. Und ein Stein zum rollen steht hier, wie vom Grab Jesu. Selfie-Ecke. Alle wollen für's Foto mal "rollen", so wie man den Pisa-Turm am Umkippen hindert. Eine neue Basilika wurde direkt auf der alten erreichtet und gibt im Inneren alle Überreste preis. Der Ort hat wieder die Bedeutung als christliche Pilgerstätte zurückerlangt. Aber auch Schulklassen finden sich hier wieder. Eine belgische Gruppe feiert in einer Kapelle neben der Basilika einen Gottesdienst. Immer wieder Belgier...
Der eigentliche Weg führt rechts ab ins Nichts. Bin ich froh, auf 800 Höhenmetern nur Straße laufen zu müssen. Ein Museum liegt am Wegesrand. Na klar, nehm' ich mit für 2 Dinare. Darin fährt man einmal Geisterbahn. In etwa 30 Minuten erhalte ich einen Crashkurs in Geschichte und Brauchtum Jordaniens. Auch die Gewänder aus As Salt tauchen auf. Ich erfahre, dass das Gewand, das die Kinder hatten, das Palästinensische ist. Daneben gibt es Vergleichbare mit jeweils eigenem Muster für Jordanien, Israel und Saudi Arabien. Die Muster sind wie eine identitätsstiftende Nationalflagge zu sehen. Ansonsten viel Handwerk: Wie man Kaffee gemacht hat, gewebt hat, Mosaike gelegt hat, Moses gefunden hat, Babeltürme errichtet hat, Jesus getauft hat und und und. Nett für Kinder oder als Fantasialand-Themenbahn, weniger für mich..Kurz nach mir kommen aber die drei Schulklassen vom Berg. Das ist das Zielpublikum, denke ich, und gehe weiter. Durst hab ich. In Ortsnähe kann man sich darauf verlassen, dass ständig improvisierte Straßenkaffees aus Wellblech auftauchen. Eine Blubberbrause Marke Barbican, 1/4 Dinar. Nicht etwa 3,50 Euro oder so... Also noch ein Eiskaffee, Chips und Bounty dabei, alles jeweils ein Viertel. Mann, ich hab seit gestern Morgen nichts mehr gegessen, fällt mir auf. Dass ich mal das Essen vergesse...
5 Kilometer weiter... eine Wagenkollonne überholt mich aus schwarzen Staatslimousinen. Also wenn der König einen 7er BMW in der Langfassung fährt und einen Tross von Cadillac Escalades im Schlepptau hat, bin ich gerade einen Meter neben ihm gewesen. Wer sonst leistet sich so einen Konvoi. Zwei Jungs schauen ebenfalls hinterher. Dann sehen sie mich. What's your Name usw. Sie diskutieren miteinander. Irgendwas wollen sie mir sagen. Das Gerät muss her. Ob ich auf einen Basar für Handarbeit will. Och warum nicht. Ich bestätige und sie werden sehr aufgeregt, leiten mich zu einem großen Laden für Mosaikarbeiten. Sie haben mich am Haken. Einer der beiden hakt sich bei mir ein. "Hier! Ich hab einen Deutschen!" übersetzt die Maschine. Ich ziehe meine Hand wieder heraus. Zu spät. Vier Frauen und zwei Männer unkreisen mich, nehmen mir den Rucksack ab. Ein riesiger Parkplatz liegt leer vor dem Gebäude. Busse haben hier Platz. Ich bin aber gerade einziger Kunde und bekomme eine Privattour von traditionell gekleideten, auffällig attraktiven Verkäuferinnen. Erst der Blick in eine Mosaik-Werkstatt, wo drei Menschen gerade Mosaike legen. Dann ein gewaltiger Verkaufsraum. Extra für mich: alles für die Hälfte. Was verkauft wird, ist tatsächlich hochwertig. Möbel, Teppiche, Geschirr. Ein verkaufsfördernder Tee wird mir gereicht. Was soll ich denn kaufen, das meinen Rucksack überlebt?! Achso: da hinten ist die Packstation für nach Hause versenden. Nee nee. Finden tue ich aber trotzdem was und lasse es einpacken. Draußen schwenke ich freudig mit der Tüte. Die beiden Jungs strahlen. Mission offensichtlich erfüllt. Sie bekommen 1 Dinar für ihr Marketingmanagement.
Ich laufe in die Stadt ein. Es wird wieder hektisch. Mich interessiert nurmehr das Hotel und der Pool. Nahe des Zentrums ist es endlich soweit. Einchecken, duschen, Badehose an und ab in den Pool.
Was hat Madaba denn, was andere Städte nicht haben? Es ist offensichtlich das Herz des Mosaiks seit 2000 Jahren. Hier hat vieles davon seinen Ursprung. Auf dem Weg ins Zentrum zum Essen holen sind selbst die Straßenschilder aus Mosaiken. Auch hier gibt's Antike zu entdecken, jedoch versteckt und ohne Google kaum auffindbar zwischen vielen Basarähnlichen Lädchen in der ganzen Innenstadt verteilt. Ein Ticket für 3 JD eröffnet Zugang zu allen Stätten. Sie sind ein gemeinsames Museum in vier Teilen. Sogar ein Stück Römerstraße ist noch erhalten, in jedem Teilmuseum kommt ein Stück aus irgendeiner Hauswand heraus, um ein paar Meter weiter in der nächsten wieder unter Madaba zu verschwinden. Das wirkt gruselig. Viele viele Mosaikmotive, die sich auf Mitbringseln und Möbeln alle wiederfinden gemeinsam mit typischen Tourisätzen wie I love Madaba, sind hier zu finden, teilweise als unscheinbare Bodenplatten im Eingangsbereich einer Krypta. Viele Motive erhielten vor allem ihre Bedeutung, weil sie schlicht noch vollständig erhalten sind.
Mein Magen liegt auf dem Boden. Das war nicht eingeplant. Also endlich Essen holen und dann ab in meine (endlich mal) geschmackvolle Koje. ESC Halbfinale gucken. Drei Häuser weiter feiern Männer lautstark ihre eigene Party mit selbstbewusstem Sprechgesang zu Trommelrhythmen als wollten sie den arabischen Counterpart zur Musikshow stämmen.