Jordan Trail - darab al'urdunu - درب الأردن

13.05.2025 Iraq Al-Amir

  

Mein Verlies im Butiquehotel Beit Aziz hat ein CD-Hüllen großes Fenster im Giebel. Das Licht reicht aus, um mich zu wecken. Es gibt Frühstück für mich in der Bar, die einen tollen Blick über die Altstadt hat. In meinem Kopf ist Sand im Getriebe. Irgendwie will mein Hirn nicht so recht in den Quark kommen. Hilft nix. Heute liegt eine Drei-Stiefel-Etappe vor mir, sagt mein Trail Pass. Also schwer. Dafür ist es bewölkt und nur 25 Grad. Perfekt also. Ich bekomme auch hier noch meinen Stempel in den Pass und los geht's. Mir macht zu schaffen, aus dem hecktischen Straßenverkehr heraus zu kommen, der vor allem durch keuchende Minibusse und Taxis geprägt ist. Viele nehmen hier für Kurzstrecken Taxis, vor allem auch Kinder. Wundert mich nicht. Die Kernstadt liegt locker 100 Meter tief in einer Häuserschlucht. Es wird sofort wieder ländlich, als ich den Bergkamm erreiche, diesmal ausnahmsweise ungeschwitzt, was mich dazu verleitet nur zwei Liter Wasser dabei zu haben. Ein Fehler, denn der Weg führt das erste Drittel nach ein paar Beduinenlagern durch ein Kerbtal und hinauf auf eine Hochebene, ohne dass ein Weg zwischen Geröll und Dornenhecken erkennbar wäre. Ich muss aufpassen, nicht ständig irgendwelchen Schafherden-Pfaden zu folgen und komme alle fünf Minuten vom Weg ab. Ständig muss ich den GPS Track abgleichen, während Fliegen mich sehr lecker finden. Das kostet mehr Kraft als 40 Kilometer durchziehen und ich werde richtig zynisch, wenn ich mal wieder einen schön ausgetretenen Pfad gefunden habe, der ja wohl nur von wegkundigen Schafen, aber bestimmt nicht von der JTA angelegt worden sein kann. Ich verliere mindestens zwei Stunden Zeit auf diesem Abschnitt und bekomme durch die vielen Talsenken, in denen sich feiner, staubiger Sand ablagert, mal karminrote, mal gelbe und mal schneeweiße Füße. Auch die Luft wird zunehmend wieder gelblich von Sand. Dennoch muss ich langsam mal nach meinem Zielort schauen. Gerade nach so einer Schweiß- und Sanddusche bin ich froh um jeden Trail Angel, der ein lohnenswertes Ziel ist. In meinem Fall die Women Cooperative Society. Bin gespannt, was das ist. Auf der Hälfte des Wegs geht mein Wasser zur Neige. Wohl ahnend bin ich schon früh angefangen zu rationieren, was aber nun zu Kopfschmerzen führt. Und? Was sagt das Wanderglück? Zur Not frage ich halt bei irgendeinem Haus. Das Glück kommt mir zuvor. Beim Überqueren einer Hauptstraße irgendwo im Nirgendwo steht am Straßenrand ein Kühlschrank mit Cola und Wasser. Das macht absolut keinen Sinn. Aber ich strebe auf die LED-Beleuchtung des Kühlschrank hin sie Motten zum Licht. Es stellt sich heraus, dass das Ding zu einem "Bürohäuschen" eines weiteren Pflanzenzüchters gehört, der neben seinen Pflanzen auch ein paar ausrangierte Sofas, Wasserpfeife rauchen und eben Getränke anbietet, quasi als Beiwerk. Ich kaufe ihm 4,5 Liter eiskaltes Wasser ab und vernichte gleich 1,5 Liter davon. Habe kein Bock auf Dehydration.
Die Kopfschmerzen sind wieder weg. Aber ich bin wackelig auf den Beinen. Der Weg ist extrem höhenunterschiedig. Ständig geht es mal 100 Hohenmeter rauf, dann wieder runter. 24 Kilometer lang. Leute auf dem Weg sehen mich rumkeuchen und wollen alle helfen. Aber da bin ich jetzt doch noch zu willensstark für. Kurz vor 19 Uhr erreiche ich endlich den Ort durch den Kanäle voller Wasser gurgeln. Kinder spielen Fußball. Ein Mädchen schießt beherzt hinter den Ball. Der Ball fliegt, ihre Schlappe auch, in meinem Nacken auf den Rucksack und bleibt dort liegen. Riesen Gelächter. Keine Steine.
Bei der Women Society werde ich bereits von einer Frau erwartet und sie geleitet mich in ein Wohnheim für Frauen. Dort hab ich ein Bett in einem Nebenzimmer. Das Haus sieht ausnahmsweise mal zuende gebaut aus. Mag daran liegen, dass auch hier USAID am Werk war. Es ist eine Gemeinschaft von alleinstehenden Frauen, aus welchen Gründen auch immer. Hier bewirtschaften sie gemeinsam eine Farm für Früchte und Gemüse. Es sind aber auch Kinder hier und eine Blechmoschee mit einem noch blechernderen Allah-Megaphon. Es klingt im Vergleich zu Kirchen in etwa so, als ob ich eine Kirchenglocke durch ein Tablett ersetze, auf das mit einem Hammer geschlagen wird.
Eine Frau zeigt mir alles und macht auch etwas zu Essen. 10 JD kostet das Bett, 5 JD das Essen. Alles in allem hat das alles was von Jakobsweg hier. Vielleicht sogar so, wie der Jakobsweg vor 40 Jahremn mal gewesen ist. Ich werde extrem geschätzt von jedem Kaufladenbesitzer, Feldarbeiter, Bauarbeiter oder Passant, dass ich mir gerade Jordanien zum rumlaufen ausgesucht hab. Ich hätte ja auch woanders hinfahren können.
Es gibt wieder Reis mit Hähnchenschenkel, dazu fremndes Gemüse, in das Reis und Nüsse gestopft wurden. In der Küche steht aber auch ne Stiege Cola-Light-Dosen und haufenweise Süßkram. Das wissen auch die Kinder. Sie flitzen zielsicher von draußen in die Küche, stehen vor mir, sind geschockt und nehmen sich verstohlen irgendwas Rundes in grün, rot oder blau, das gleich im Mund verschwindet. Ich glaube, das sollen sie eiiiigentlich nicht tun. Draußen wird der Abendallah besungen. Heute dürfen anscheinend auch mal die Kinder ein zwei drei Zeilen über die Häuser und Täler hinweg singen, bis dann ein Erwachsener den Gesang wieder übernimmt.
Meine Beine kribbeln. Ich unterhalte mich kurz mit meiner Gastgeberin mittels Gerät. Sie kann nicht lesen. Also lasse ich das Gerät lesen. Geht auch. Ach jaaaa, bald bewässern wir unsere Felder mit Mountain Dew und wundern uns, dass man Wasser wirklich trinken kann, wenn wir all unsere Kompetenzen an solche Geräte abgeben. Was hab ich gerade gelesen? Chat GPT labert - mit durchaus fatalen Folgen - seit Neuestem immer öfter mal stumpfen Blödsinn und die Wissenschaft rätselt warum?!