11.05.2025 Rmeimeen | ᐸ ᐳ ᐱ |
Die Schatten sind noch lang. Ich nehme vorsorglich 6 Liter Wasser mit, drei Flaschen im Rucksack, eine in der Hand. Wenn das auch so heißtrocken wird wie gestern, brauche ich die.
Die Strecke ist simpel und sehr ruhig. Eigentlich nur geradeaus, ein bisschen rauf und runter. Ich bin schon gegen Mittag am Zielort, ohne dass irgendwas Nennenswertes passiert wäre. Ein Wasserfall und Pools sollen unter dem Zielort Rmeimeen sein. Aber ich bin skeptisch geworden. Wenn es schön ist, wissen das auch andere und dann ist es nicht mehr schön. Dem war leider auch so. Tatsächlich gibt es einen Wasserfall. Es riecht umgekippt. Der "Pool" ist braungrün und wird durch Teppichfetzen aufgestaut. Ekelhaft. Das Grünland rings herum ist zur Hälfte abgefackelt, vermutlich durch die offenen Feuer, die Jordanier an schönen Stellen gerne zum Grillen machen. Und leider könnte das hier auch als Müllhalde deklariert werden. Es ist so schade. Ich setze mich trotzdem etwas in den Schatten. Das Kind in mir hat sich soooo sehr auf Wasser gefreut. Aber da gehe ich nicht rein und schaue stattdessen mal, wer mich heute Nacht aufnehmen mag. Ein weiterer Mohammad von vielen ist der erste und bietet mir an, mich im Kern von Rmeimeen abholen zu lassen. Dort ist eine Supermarktgarage. Der Besitzer weiß schon Bescheid, als ich ankomme und bietet mir einen Stuhl zum Warten an. Ich soll mir einfach ein Getränk nehmen. O-Saft. Hab ich Bock drauf. Ein koreanisch aufgemotzter Hyundai kommt und lädt mich ein. Hier fahren ausgesprochen viele Südkoreanische Autos der 90er Jahre herum, aufgemotzt mit extrem auffälligen... und superhässlichen... koreanischen Chromelementen. Die Karren werden irgendwie zusammengehalten und fahren. Aber frag nicht nach TÜV.
Mohammad hat eine einfache, kleine Wohnung, indem irgendwie ein Dreibett-Gästezimmer platz findet. Er freut sich riesig, mich als Gast zu haben. Es ist alles versammt eng. Aber das wäre mein Zelt jetzt auch. Und weil gerade mein Abendessen rumkocht und keiner von uns wirklich etwas vorhat, kommen wir ins Gespräch. Drei Stunden lang. Er kann fließend Englisch. Er war der beste Schüler und wusste immer schon die Fragen, die der Lehrer stellen wollte. Er hat auch 13 Jahre in Rumänien gelebt und Waren gehandelt, vor allem Gewürze und Kaffee für Großabnehmer wie Jakobs. Überhaupt hat er viel zu erzählen. Er versucht mir die jordanische Kultur zu erklären. Die Sache mit den vier Frauen: Das hat seine Richtigkeit. Schließlich haben in der Vergangenheit immer die Männer in Kriegen gekämpft, sodass nicht jede Frau einen Mann beanspruchen konnte. Aber es ist geregelt. Nicht nur juristisch. Es steht alles im Koran! Der Koran. All sein Wissen verifiziert er stetig mit dem Koran während wir reden. Ich fordere das heraus und spreche ihn auf heiklere Themen an. Gleichgeschlechtlichkeit: Es ist nicht gut! Was hat Gott gemacht mit Homosexuellen? Sie haben damals vor allem beim Toten Meer gelebt, als das Meer noch nicht da war. Und was hat er gemacht? Das Land einfach auf den Kopf gedreht und alle begraben. So ist das tote Meer entstanden! Es ist die Wahrheit! Manchmal, wenn die Leute im salzigen Wasser baden, finden sie heute noch Knochen.
Ich bekomme einen Crashcurs Muslimisch. Er gestikuliert viel, eindringlich und einnehmend. Ein geborener Geschichtenerzähler. Es ist wie ein Erzählsofa, wenn ich ihm zuzuhöre. Er versucht auch mich herauszufordern. Was ich denn glaube. Ich erkläre mich, zeige auch offen meine Skepsis. Das ist kein Problem, denn im Koran, da wird ja alles erklärt. Ich MUSS ihn lesen!
Wie kann eine Diskussion zu Erkenntnissen führen zwischen einem Gläubigen, sehr überzeugten Muslim und mir als Skeptiker, der eher neben als in den Religionen steht. Es ist schwer. Manchmal beneide ich ihn um seine Gewissheit. In all seiner Einfachheit steht er dank Allah und dem Koran geistig felsenfest auf den Beinen. Er ist hochüberzeugt, jedoch nicht verblendet. Er weiß auch, dass im Namen von Religion viel Scheiß auf der Welt passiert. Nur sind die Erklärungen oft gefährlich einfach. Trump, Putin, Erdogan... das sind alles Juden und Illuminaten! Jeder Krieg der heutigen Zeit ist durch Amerikaner angezettelt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Israel untergeht. Es heißt, alle 75 Jahre wendet sich das Blatt. Israel ist da schon überfällig. Ich werde es sehen und an ihn denken! Aber es steht auch im Koran, dass man einem Fremden immer hilft, egal wie er heißt. Immer. Erst nach drei Tagen wird das interessant. Ich glaube, dass ich diesen Grundsatz schon spüre und dass er in einem Land wie diesem mit seinen Beduinen in der Wüste sogar überlebenswichtig ist.
Gerade bereitet er das Essen zu und segnet es mit murmelnden Gebeten. Es ist wichtig. Und ich werde nicht versuchen, ihn irgendwie davon zu überzeugen, dass die Ersatzreligionen unserer übersättigten Welt eine bessere Alternative sind als seine Übersetzung. Jeder hat seinen Kosmos mit Wahrheiten und Fakes. Zur Zeit sehe ich da beim Blick auf Trump, AFD und Coronaleugnern keinen nennenswerten Unterschied. Politiker sind ihm oft suspekt. Sie halten uns arm und dumm, damit wir leichter zu kontrollieren sind, sagt er. Gerade die Kinder im Norden des Landes hätten es schwer und wären nicht gut erzogen. Da ist das Internet vor den Eltern oft der erste Erziehungsberechtigte. Viele gäben ihren Sprösslingen schon mit 1 Jahr das Ding in die Hand, um Ruhe zu haben. Dann werden sie dumm und bekommen schräge Augen.
Eine Diskussion auf einer Ebene ist dennoch sehr schwer. Es mündet viel in einen Gleichnismonolog, der zeigt, dass der Koran auf alles eine Antwort hat. Ich werde es sehen! Nebenbei macht er das Abendessen. Es gibt Kabsa nach Saudi Arabischer Art. Ich höre viel zu und lasse es so stehen, wie es ist. Ich bin hier gerade ein gern gesehener Gast.
Nur eins kann ich mir nicht verkneifen und frage ihn, ober wusste, dass sein König Abdullah einen Wissenschaftsoffizier in Star Trek Voyager gespielt hat. Wusste er nicht. Glaubt er auch nicht. Niemals! Das wüsste er über seinen König! Ich zeige ihm den 7-Sekündigen Cameoauftritt der Folge auf YouTube, die die Filmkarriere des Königs auch schon vollständig umreißt. Er guckt zweimal hin. Ja, das ist er. Aber vor 30 Jahren. Ungläubiges Schweigen. So hab ich ihn damit doch noch etwas aus der Fassung bringen können. Dafür liebe ich Star Trek: Hast du einen unaussprechbaren Konflikt auf Erden, heb ihn in die Sterne. Vielleicht weiß das auch der König.