Jordan Trail - darab al'urdunu - درب الأردن

10.05.2025 King Talal Dam

  

Tag der Gastfreundschaft, Teil 2. 6 Uhr klopft es an der Tür. Der schüchterne Junge ist wieder da mit einem großen verbeulten Alu-Frühstückstablett und guckt mich mit einem eindringlichen Syntax-Error-Blick an. 3 Sekunden schweigendes Anstarren. Achso... ich muss den wortlosen Satz vervollständigen: Auf's Bett bitte. Einen Tisch gibt's nicht. Muss an The Sims denken: wenn kein Platz für den Teller ist, wandert er auf den Boden als Fliegenfang. 6 Uhr ist das neue 8 Uhr. Egal, ich hab bescheuert geträumt und bin eh wach: Jemand hat mein Auto in der Nacht ausgeschaltet und ich stand daneben und hab Rotz und Wasser gehäult. Wunderbarer Traum. Wo waren wir doch gleich? Ach ja, im Tal der Ahnungslosen ohne Internet. Es ist sicherlich schlau mal sehr früh aufzubrechen in Anbetracht dessen, dass ich von 1100 Metern auf 200 absteige.
Es geht zunächst noch einmal hinauf durch eine Schlucht, die auf ein weitläufiges Grasplateau führt. Es ist diesig und wird sehr schnell sehr heiß. Das Jordantal ist nur schemenhaft zu erkennen. Dafür sehe ich aber schon mein heutiges Ziel in Form eines Staudamms in der Ferne. Ich habe wieder Internet und kann mein Ziel planen. Dort oben soll ein Wildcamp sein aber auch ein Homestay des Jordan Trails. Auch wenn ich bislang das Zelt nur einmal genutzt habe, ich möchte die Unterkünfte nicht auslassen, wenn ich eins finde. Also whatsappe ich sie an. Wenn nichts zurück kommt, kann ich ja immer noch campen. Der Weg führt nun konstant bis zum Staudamm hinab, wenn ich direkt durch den Ort Burma laufe. Der eigentliche Weg umkreist die Stadt weitläufig durch die Wälder. Finde ich wenig reizvoll, zumal ich sowieso einmal in einen Laden will. Also hinunter in den Ort. Ich habe immer noch Bedenken wegen Kindern, aber eine Erfahrung wie am ersten Tag hatte ich seitdem nicht mehr. Im Gegenteil, ich werde weiter herzlich in Jordanien willkommen geheißen. Der Schlüssel ist wirklich Hand geben, rechts, stehen bleiben und angrinsen. Damit bin ich kein Fluchttier mehr, das man jagen muss. Im Laden gibt's Sinalco. Geil. Brauch ich. Aber zu lange stehenbleiben in Orten ist immer noch anstrengend und ich verlasse ihn schnell weiter in Richtung Süden und durch weitere Olivenhaine. Ein Hof mit vielen bunten Bäumchen im Garten taucht auf. Kein Vergleich zu den sonstigen Bausünden und Müllhalden am Straßenrand des Orts und ich gucke über die Mauer. Ein junger Mann grinst mich am. Bittet mich herein. Ich schaue auf die Uhr, schaue auf's Handy. 11 Uhr. Der Homestay-Kontakt hat sich tatsächlich gemeldet. Ich habe Glück. Nicht ankommen vor 2 Uhr, schreibt der Kontakt. Dann hab ich eigentlich Zeit, Also dann, warum nicht. Er bietet mir einen Stuhl an und erzählt was auf arabisch. Englisch kann er nicht. Also gut, wie war das mit Google... ich lasse den Universalübersetzer Deutsch-Arabisch zwischen uns mitlaufen. Es ist einfach Star Trek in der Gegenwart: wir können uns tatsächlich vollwertig unterhalten, ohne die Sprache des anderen oder eine Brückensprache zu können. Ich habe das noch nie so gebraucht. Für uns beide ist es neu und er ist völlig aus dem Häuschen, holt seine ganze Familie raus. Auch ein Freund kommt mit seinem Pickup vorbei, den hat er auch noch angerufen. Der Allmann muss präsentiert werden. Ich werde zum Pfefferminztee eingeladen. Mama und Tochter machen den Tee, müssen danach aber im Haus bleiben und dürfen nur Fotos machen und winken.
Ich erfahre, dass er Zierbaumzüchter ist und seine Pflanzen an Gärtnereien weiter verkauft. Wir unterhalten uns eine Stunde lang und lachen über Übersetzungsfehler, bevor ich weiterziehe bzw. sie mich ziehen lassen. Eine Essenseinladung schlage ich aus.
Der Übersetzer kann Wörter von a nach b übersetzen, Kulturunterschiede und Werte jedoch nicht. Für seine Familie ist, wie für viele hier, vor allem die Frage nach Familie, Frau(en) und Reichtum wichtig. Ob ich singen könnte. Klavier spielen, entgegne ich. Lachen. Ich muss seeehr reich sein. Ich hätte mich viel lieber mal mit der Tochter unterhalten. Es ist nicht verständlich für sie, warum ich alleine hier bin. Aber es ist leicht Sympathien zu ernten, wenn man verbal die jordanische Flagge hisst. Es ist aber auch schön zu sehen, dass man sich nicht wie von einer Klette entreißen muss. Es ist ein Kennenlernen und es ist in Ordnung, nach zwei Tees auch wieder zu gehen. Das macht Bock auf mehr Kontakt. Der lässt nicht lange auf sich warten. Ich durchquere eine Zitronenbaumplantage kurz vor dem Staudamm. Gefördert durch Deutschland. Gegen die Erosion oder so. Bauarbeiter machen in der Gluthitze irgendwas mit Zement. Ich frage sie nach dem Weg, bekomme ihn und eine Limodose dazu. Bitte Quatschen, heißt das. Mache ich auch. Woher, wohin, warum, wo ist meine Frau. Ich bekomme noch nen Zuckerschock heute. Hab bislang heute nur Tee und Limo getrunken.
Der Staudamm sollte mal ein Ausflugsparadies werden. Picknickbänke, WCs, Grillanlagen, Bootanlegestelle, alles da... aber im Stich gelassen. Vor den Wehren der Staumauer staut sich ein großer Plastikteppich. Ich mache Fotos. Drei Pickups nähern sich schnell und halten neben mir. Ich richte mich auf Unterhaltung ein, aber diesmal sind es streng formelle Fragen nach der Herkunft und dem Zweck. Ob ich eine Genehmigung hätte hier zu sein... hmmm... ich sage ja! Von der Jordan Trail Association. Irritierte Blicke. Einer der Insassen klärt was auf, zeigt auf die rot weißen Markierungen am Geländer des Damms. Danach grinsen, Welcome to Jordan, und den eindringlichen Rat nicht zu viele Fotos zu machen von der Anlage. Verstehe ich nicht, aber gut.
Mein heutiges Ziel thront als einziges Gebäude weit und breit 300 Meter höher über dem See. Dort wartet Mohammad schon auf mich mit Essen. Er muss eh was im Garten machen. Das Zimmer ist wie gestern eins mit Doppelstock- und Einzelbetten Marke IKEA. Spenden der JT-Associacion für die Trail Angels, erfahre ich. Aber diesmal kein Kellerverlies, sondern Balkon und Panorama über den See. Beeindruckend.
Heute gibts jordanisches Fast Food und nen halben Hahn. Aber später und drinnen. Draußen sinds noch 40 Grad. Duschen und keine Klamotten am Leib bitte, bis die Sonne weg ist. Es sollen in der Nacht 20 werden. Ich merke deutlich, dass ich 900 Meter tiefer bin. Das Grün der Höhenlagen ist abrupt wieder der Steppe gewichen. Zum Glück wird für die nächsten Tage ein Temperaturrückgang um 10 Grad prognostiziert.