Jordan Trail - darab al'urdunu - درب الأردن

09.05.2025 Khirbet Al-Souq

  

Ich werde von alleine Wach und hab riesen Hunger. Freue mich auf's Frühstück mit Aussicht. Es allaaaaaht von allen Seiten. Danach wohl sowas wie Predigten. Heute ist Freitag, ich schätze, da gehen alle in die Moscheen wie wir am Sonntag.
Ich breche spät auf. Mein Weg geht unmarkiert durch Olivenhaine 350 Höhenmeter steil bergab. Es ist windstill und schweißtreibend. Vor allem das ständige Abchecken mit dem GPS Track kostet viel Energie. Meine Rechenmaschine überhitzt regelmäßig in der Sonne und schaltet dann das GPS ab. Also alles irgendwie frei Schnauze. Unten höre ich die Hauptstraße im Kerbtal. Nach viel zu langer Zeit und 2 Litern Wasser komme ich unten an. Ein Wasserkanal markiert den tiefsten Punkt. Kann leider kein Wasser aufnehmen. Eine Ziegenherde trinkt mit. Das ist mir dann doch zu heikel. Aber ich muss eh durch den nächsten Ort, da wird schon was zu finden sein. Nur bedeutet das erstmal wieder 400 Meter hinauf. Damit ist auch mein verdünntes Brombeer-Erdbeer-Gesöff über den Jordan... hinein in meinen Schlund. 3,5 Liter Wasser weg. Supermärkte finde ich, aber sie sind verrammelt. Alle in der Moschee zu Mittag. Ich setze mich in einen von Müll überfluteten, verbeulten und durchlöcherten Wellblechhaufen mit Bank. Das war mal eine Bushaltestelle. Braucht man in Jordanien eh nicht. Busse und Taxis hupen einen überall an. Hebt man die Hand, kommt man auch mit. Ich musste schon dreimal abwiegeln, weil mein Gruß als Mitfahrsignal interpretiert wurde. Alle hupen zum Gruß. Ich brauche Wasser. Auf einer Straße mit gefühlten 100% Steigung bleibt ein Auto mit Familie stehen. Das übliche Ritual: Wer bin ich, woher bin ich, wo will ich hin, brauche ich Hilfe. Ich kann sich im Grunde schon darauf verlassen, dass ich nicht alleine bin. Aber Wasser haben sie leider nicht dabei. Mit voll durchdrehenden Reifen setzt er seine Fahrt fort und rutscht irgendwie den Berg weiter hoch. Diese Straßen will ich nicht fahren müssen. Ein weiteres Auto hält irgendwann neben mir. Ich erwarte das Ritual. Stattdessen zwei Männer. Handschlag. Kofferraum auf. Ich bekomme ne Tüte voll Früchte geschenkt und das "Welcome to Jordan!". Also das macht schon was mit mir, so eine Gastfreundschaft. Die Früchte sehen aus wie unreife Tomaten und schmecken wie Sternfrucht. Wasser in Festform, genial. Wanderglückchen. Irgendwann erreiche ich auf über 1100 Metern Höhe endlich den Bergkamm und finde mich auf einem übergrünen Plateau wieder. Kiefernwälder wechseln sich mit Olivenbaumhainen ab. Es duftet nach Limetten. Ich sehe aber nichts dergleichen, bis ich dem Geruch bis zum Ursprung folge: die Olivenbäume blühen und sondern diesen Geruch ab, der so gar nicht zu Oliven passen will. Hier soll eine Quelle sein. Ich finde an besagter Stelle auch ein Rohr, das aus einer Mauer in ein Becken führt, aber sie ist versiegt. Vereinzelt stehen Häuser in den Hainen herum. Auch.kleine Villen mit E-SUVs davor. Joa, hier lässt's sich leben. Und auf einmal mitten auf dem Weg ein garagengroßer Minimarkt. Damit war nicht zu rechnen. Das muss wohl mit Quelle gemeint gewesen sein. Ich kaufe Wasser und Cola, setze mich etwas abseits vor einem Haus auf die Mauer in den Schatten und tanke auf. Eine ältere Frau kommt dahergeschlendert und will ins Haus hinter mir, sieht mich, und fragt, ob ich was essen will. Mannomann, heute keine Monumente und Ruinen, heute eher Tag der Gastfreundschaft. Auch die Kinder sind hier anders drauf. Ein Junge auf einem Pferd reitet auf mich zu, drückt mir gesalzene Sonnenblumenkerne in die Hand und grinst davon. Vier Kinder winkend hinterher. Ich komme an einem "Wild Camp" in einem Kiefernwald vorbei. Viele Familien sind hier mit ihrem Auto hingefahren, versammeln sich unter den Bäumen und grillen sich was. Es sieht ein bisschen aus wie die Waldcampingplätze der kanarischen Inseln aus. Hinzu kommt jedoch das Fläir einer Müllhalde. Das Areal ist übersäht mit Plastikmüll, das von den Vätern notdürftig beiseite gefegt oder einfach als übel stinkendes Brennmaterial genutzt wird. Es ist ekelhaft und sonderbar. Aber eine allgemeine Reinheitskultur gibt es hier nicht. Überall wo Menschen und Siedlungen sind, ist Müll. Und da dieser nicht verwittert kann ich mir gut vorstellen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis daraus ein wirklich ernsthaftes Problem für Jordanien wird. Das Zeug verrottet ja zu Lebzeiten nie. Hier gibt es keine nennenswerte öffentliche Infrastruktur wie Mülleimer oder Bänke zum hinsetzen oder Bürgersteige. Müll kommt alles in schrottreife Container am Straßenrand, von denen die Räder abmontiert wurden. Einige kokeln vor sich hin, wenn Zigaretten reinfliegen. Die einfachen Häuser fahren alle das Steuersparmodell der Dauerbaustelle, in dem ein zweites Geschoss mit Stahlstreben angedeutet, aber nie fertig gestellt wird.
Gegen 17 Uhr erreiche ich eine Ansammlung von Bruchbuden namens Khirbet-al-Souq. Eigentlich wollte ich auf den Wild Camp. Aber nach dem Anblick und der Menge an Familien, möchte ich mir das ersparen. Ein Trail Angel soll hier sein, wo auch mein Stempel zu finden sein soll. Eine Nummer habe ich. Wir versuchen auch zu kommunizieren, aber wir missverstehen uns sehr. Es ist okay, dass ich komme. Ich frage nach der Adresse oder Koordinaten und bekomme aber nur einen Daumen hoch. Im Ort angekommen, habe ich kein Netz mehr und weiß nicht, wohin. Ich weiß nur, dass mein Kontakt eine "Eisa" ist. Nadann mal proaktiv auf Gastfreundschaft setzen: Ich frage einen Mann auf der Straße, wo Eisa. Er weiß tatsächlich bescheid und deutet auf die Häuser. Ich bitte ihn mich zu führen. Die Aufgabe übernimmt sein Sohn und führt mich zu einer Ruine von Haus. Eisa macht mir auf. Eine junge Frau. Sie weist mir den Weg nach unten in eine Art Kellerwohnbereich. Hier ist ein Zimmer mit einem Doppelstockbett und einem normalen Bett für Jordan Trailinge vorbehalten. Ich bin also richtig. Mehr Kommunikation kommt nicht. Tja, würde sagen, ich hab ein Bett, eine Dusche und eine Steckdose, was will ich mehr!
Es klopft. Ein schüchterner Junge steht vor mir und hält mir ein Tablett mit Pfefferminztee hin. 30 Minuten später kommt auch der Padre vorbei, zum Salam zu sagen. Ob er mir was vom Supermarkt besorgen soll und wann ich essen will, zu Abend und am Morgen. Beides 7 Uhr, geht klar. Ein sehr verschüchterter Junge bringt mir schließlich ein Tablett mit dem Abendessen und einem zittrigen "Good Morning!". Es gibt Gemüsesuppe mit Fleischklößen und Unmengen an Reis, dazu Jalapeños, die schärfer kaum sein könnten. Herrlich. Und den verdienten Stempel. Nur Internet gibt's nicht. Bleibt nur mein Hörbuch. Wie soll ich das nur überleben?! Alle denken, ICH bin über den Jordan gegangen!!!