08.05.2025 Ajlun | ᐸ ᐳ ᐱ |
Mein Weg führt mich weiter in den Süden, jedoch zunächst weiter durch die folgenden Orte Orjan und Baoun auf der Suche nach einem Bankautomaten. Mein Geld ist alle. Ich gehe extra früh los, damit die Kiddies noch in der Schule brutzeln müssen. Sie sehen mich trotzdem aus den Schulhöfen, sind aber bis 12 Uhr gefangen und ich frei. Die anderen Leute sind wie immer kontaktfreudig, mitmehmwillig und handschlägig. Ich merke bei den Jugendlichen aber auch, dass der grinsende Blick mitten ins Gesicht und kurzes Stehenbleiben die Visagen sichtlich aufhellt.
Es geht weiter die Berge hinauf ins Grüne an Beduinen ohne Hunde, dafür mit Eseln, vorbei. Ich will mal ein Wanderselfie machen und drapiere dafür einen Stein auf die Straße. Darunter her taucht was Schwarzes auf und läuft weg. Mein erster Scorpion! Aaaargh! Drei Zentimeter lang. Einer der Ungefährlichen, hab ich gelesen. Gelb sollten sie nicht sein. Aber einfach Steine hochheben ist keine gute Idee, glaub ich. Schließlich komme ich an einem islamischen Schrein für den Propheten Elias vorbei. Einer Dual-Core-Propheten, der hier oben gleich zwei heilige Stätten sein Eigen nennen darf. Hier die Islamische, 500 Meter weiter auf einem exponierten Hügel steht sein christliches Pendant, bzw. was davon übrig ist. Es ist eine Grabungsstätte, wo 1999 eine große und eine kleine Kirche des 6. Jahrhunderts freigelegt wurde. Großer Parkplatz, 3 JD bitte. Viel wichtiger aber: Eine Bank im Schatten! Ich muss 10 Minuten im Wind sitzen, damit ich nicht triefnass dort eintrete. Meine Klamotten sind goldwert bei der trockenen Hitze. 10 Minuten Pause und alles, was gerade noch getropft hat, ist völlig trocken. Ich dachte schon, ich sterbe in langen Hosen, aber diese 6-Euro-Polyester-Schlabberhosenwunder und mein 20 Jahre altes Wanderhemd haben sogar einen kühlenden Effekt bei den stetigen 40 Grad.
Mein Rucksack darf am Eingang parken und ich geh Steine gucken und lerne was über Elijah bzw. Elias. Das Bodenmosaik der Kirche ist noch in großen Teilen erhalten. Ich lasse meine Wüstenrennsandalen am Eingang zurück, habe ich in Umm Qais auch schon getan. Für mich schafft es eine haptische Verbindung zu denen, die hier vor 1000-3000 Jahren waren, im direkten Kontakt mit den Wegen, Steinen und Mosaiken, die schon damals begangen wurden. Mein Kopf fängt dabei automatisch an, die fehlenden Mauern und Säulen virtuell zu rekonstruieren.
Ich bin allein hier, bis schließlich ein Bus vollbesetzt mit belgischen Rentern und drei Priestern anrollt. Sie sind tatsächlich gekommen, um hier oben zwischen den Ruinen eine Messe zu zelebrieren. Elias muss anwesend sein, so ergriffen, wie die Versammlung ist. Der eine barfuß, die anderen halt so, es hat was, gerade hier inmitten des alles dominierenden Islams. Im direkten Vergleich klingt der christliche Ritus jedoch deutlich devoter, finde ich.
Vor mir liegen noch acht Kilometer und dazu nochmal runter und wieder rauf. Ich hab ein Hotel in Ajlun gebucht und eine Zeit angegeben. Bin spät dran, also beeile ich mich. Körperlich ist heute der erste Tag. nach der üblichen Anfangs-Wanderdepression. Das Gemüt ist wach, der Muskelkater in den Beinen und Schultern weg und der Stoffwechsel 300% aktiver. Mein Feldweg führt durch herrlich grüne Wiesen, bis... ich rechts neben mir am Hang eine Seilbahn entdecke. Seilbahn? Hier? Warum? Egal, ich muss runter... meint mein Verstand. Aber mein Gemüt sagt, ich will zur Seilbahn gucken gehen und mitfahren, egal wo die hinführt. Aus der Ferne erkenne ich schon, dass es eine Doppelmayr Achter-Gondelbahn ist. Ich kenne sie alle, muhaha. Wer sich das schwere Geschütz hier leistet, hat sich was dabei gedacht. In meinem Kartenmaterial ist nichts verzeichnet. Also mache ich kehrt zurück zur Hauptstraße. Vor mir taucht ein jordanisches Tingeltangelwunderland mit Kartbahn, Hüpfburgen, Fressbuden und vielen Reisebussen auf, aus denen viele Jugendliche und Familien aussteigen. Es ist trubelig, hier geht definitiv was ab. Aber was denn? Inmitten der bunten Vielfalt thront die Seilbahnstation. Wo sie hinführt... keine Ahnung. Kann ich nicht lesen. Aber eins ist klar: Jordanier zahlen 4 JD, ich 10. Die zahle ich. Man ist hier sichtlich wenig an mir interessiert, auch wenn ich weiterhin der einzige Nicht-Jordanier hier bin. Alles wirkt westlicher und liberaler. Ausgesprochen viele Frauen sind unterwegs und verselfien sich. Auf jeden Fall ist das ein Ausflugs-Hotspot... für Großstädter?
Ich schlängel mich durch die Menschen zum Stationseingang. Vor mir Frauen, hinter mir Frauen. Jede Gondel wird mit 8 Frauen bestückt. Dann komme ich: Privatgondel, weil Mann. Ich merke, ich finde diese Separation in keinster Weise gut, will es aber auch nicht verurteilen.
Die Bahn passiert einen Hügel. In Erwartung einer Talstation schaue ich mach unten in ein 300 Meter tiefes Tal. Aber es geht nicht nach unten, sondern einfach geradeaus. Das Ziel ist tatsächlich Ajlun Castle, mein Ziel für heute. Damit hätte ich im Leben nicht gerechnet. Es verkürzt meine Wanderung um die besagten acht Kilometer auf null. Aber klar, das macht schon Sinn und ist eine geniale Idee, um die Busse und den Verkehr gegenüber im Nichts zu lassen anstatt ein Verkehrschaos vor der Burg in der Stadt zu erzeugen. Ajlun ist eine große Stadt. Die Burg ein Publikumsmagmet, auch für westliche Besucher. Hier tummelt sich ein Touristengemisch und ich habe eigenartigerweise gleich ein heimisches Sicherheitsgefühl. Hier bin ich irrelevant, was mir nach den letzten Tagen sehr recht ist. Auch die Burg kostet 3 JD. Darunter sind viele Souvenirshops, die Tand und echtes Handwerk anbieten. Toller Anblick. Mein Rucksack muss durch eine Bombenkontrolle, dann geht's ins kühle Gemäuer. Kühl ist es und weitläufig. Eine militärische Festung des 12. Jahrhunderts. Also noch ganz neu für die bisherigen Verhältnisse. Etwa 60% ist begehbar und es eröffnet sich ein Rundumblick auf Ajlun, den viele für Erinnerungsfotos nutzen. Mädchenschulklassen in roten Hemden durchstreifen die Hallen, einmal alle mit, dann alle ohne Kopftuch. Dann Jungsklassen. Alles getrennt. Viele haben gelbe Blumenkränze auf dem Kopf, Jungen sie Mädchen. Bei Gruppenfotos muss das rotweiße jordanische Tuch um den Hals. Wichtig. Gute Idee, hier shoppen geht gut! Nach 30 Minuten habe ich alles sehenswerte gesehen und steuere einen Shop an. Ich bin Hahn im Korb. 200 Mädchen darin, kein Mann außer ich. Man kleidet sich in allerlei Zeugs, manche lassen sich Sandflaschen mit Motiven herstellen. Das ist alles nicht billig hier. Eine Frau spricht mich an und fragt, ob ich was suche. Ja, den Schal. 7 JD. Danke. Hier sammeln sich alle Farben. Auch israelische Motive. Ich bin überrascht. Würde damit eher nicht rumflanieren gehen. Vielleicht gilt das aber auch nur für die ländlicheren Gebiete, die deutlich konservativer scheinen.
Das erste Hotel unter der Burg soll meinen Wanderstempel haben. Hotel Ajlun. Relativ groß, geschätzte 50 Jahre alt. Es ist ebenso abbruchreif wie mein Hotel in Pella und dazu auch noch vergittert. Egal. Ich rufe durch die Gitterstäbe die Stimmen im Inneren der Lobby an. Ein dreijähriges Kind öffnet die Tür und grinst mich an. Dann kommt die Mutter herbeigeeilt und schimpft, sieht mich und grinst verlegen. Das Hotel hat keinen einzigen Gast, ist aber geöffnet. Ich verstehe das nicht. Wir Westler haben da wohl ein völlig anderes Geschäftsempfinden. Den Stempel bekomme ich tatsächlich hier. Gebucht habe ich aber ein Hotel ein paar hundert Meter weiter, weil es einfach nach einem Hotel ausgesehen hat. Es tut mir ein bisschen leid, denn die Frau hat echt dolle gehofft, mich als Gast beherbergen zu können.
Noch schnell etwas Brombeer-Erdbeerbrause jordanischen Ursprungs und Jordina Balls kaufen, dann checke ich in mein heutiges Domizil Al-jabal Castle Hotel ein. Heute kein großes Abendessen. Preise sind hier echt mal einfach. 2 Liter Brause, egal welche, 1 JD. 1 Liter 1/2 JD. Pizzakringel 1/4 JD. Und zwar überall bisher.
Will im Zimmer rumlungern und die Aussicht auf Ajlun genießen und den ersten von acht Abschnitten des Trails ruhig zu beenden, bevor morgen Staffel 2 beginnt. Das Trail-Schild habe ich schon gesichtet..Es wurde direkt vor ein Straßenverkehrs-Wegweiserschild zementiert., dass es nur noch partiell sichtbar ist. Da weiß man sofort, wer Vorrang hat.