Jordan Trail - darab al'urdunu - درب الأردن

07.05.2025 Rasoun

  

Die Schwalben und Katzen, die durch den Hausflur flitzen, wecken mich. Mich erwartet ein Frühstück im Palastsaal. Gefällt mir, diese Art Frühstück mit Fladenbrot und vor allem Za'atar. Die Gewürzmischung ist immer dabei. Fladenbrot in Olivenöl tauchen und dann in die Gewürzmischung. Genial. Mit Humus hingegen werde ich nicht warm. Schmeckt mehlig und nach nichts.
Für mich geht's weiter durch eine Schlucht, weit hinauf bis auf 920 Meter Höhe. Es bleibt heiß die nächsten Tage, es kann mir nur recht sein. Der Weg schlängelt sich mitten durch die Schlucht, die Straße führt hingegen weiter oben parallel am Hang entlang, sodass es keine Mehrwert hat, dem Weg direkt über Stock und Stein zu folgen. Ich entschließe mich lieber Meter auf Asphalt zu machen und den Rückstand von gestern aufzuholen. Dabei muss ich quer durch durch drei Orte bis Bayt Idis, wo ja der Kreisverkehr kommt. Streunende Hunde gucken mich scheu unter Büschen heraus an, einige komplett abgemagert und fertig mit der Welt. Ein toter Kadaver liegt am Straßenrand. Kann noch nicht lange her sein. Von weitem hört man schon eine Schule. 12 Uhr ist die Schule aus, der Lehrer hupt dafür dreimal aus einem Auto heraus auf den Schulhof. Die Kinder versammeln sich gelben Minibussen, die dann in alle Richtungen davoneilen. Ich werde gegrüßt. Diesmal bleibe ich dran. Viele Schulhandschläge. Nur einer meinte es mir ein "What's up motherfucker bitch" hinterher rufen zu müssen. Lernt man wohl bei TikTok. Kurz vor dem Kreisverkehr werde ich belagert, weil wirklich alle Schüler auf dem Heimweg sind. Viele Hände, viel Grinsen. Ich bin der Allman. "Yeah! Neuer! Neuer! Neuer!" Den kennen sie. "Sven Michel!" rufe ich und bekomm nen Steinchen ab. Falsche Antwort. Mir wird's zu wild am Kreisel, eine Mischung aus einer infantil gefräßigen Art von Neugier und Gelächter macht keine Shoppinglaune für den rotweißen Schal und ich nehme die Beine in die Hand, weiter der Hauptstraße folgend und raus aus dem Tumult. Jetzt hab ich den Stempel in Bayt Idis vergessen. Mist. Egal, kann ich in Amman nachstempeln lassen, meinte Ghada. Ein bis drei Kinder sind ja noch nett. Ab vier Kindern schlägt die gute Laune ins Mobbing über, weil cooler, gerade wenn die süßen Neunjährigen Zigarette rauchend vor mir stehen.
Es geht hoch hinauf und es wird sehr deutlich sehr viel grüner um mich herum. Das Sauerland Jordaniens. beginnt. Im Winter regnet es hier kräftig. Ein Toyota E-SUV hält neben mir an. Darin ein Jurist. "Ayyy Allman!". Woher weiß er... ach egal. "Come with me! I lift you up!" Sehe ich schon so alt aus? Meinetwegen. Er nimmt mich 1,5 Kilometer weit die Straße hinauf bis zu seinem Wohnhaus. Er will mit dem Allman quatschen, fragen ob ich ein Kind habe, fragen, ob ich eine Frau oder mehrere habe, erzählen, dass er vier Kinder hat und Frankfurt und Berlin kennt... vom Namen her. Er fragt, ob ich Beduinen mag. Ja, sag ich. Ob es auch sowas wie Beduinen in den deutschen Wüsten gäbe. Nun, ich erzähle ihm was von Almen im Allgäu. Hat er noch nie gehört. "No deserts? Really?!" Was wissen wir schon voneinander. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es ein jordanisches Sauerland gibt, aber nun bin ich mitten drin und er entlässt mich zurück auf die Straße. Ich habe Durst. Zum Glück ist hier eine Wasserleitung undicht. Es sprudelt Leitungswasser neben der Straße hinab ins Tal. Eine Spende zum Wohle der Bienen, nehme ich an. Und für mich.
Auf den Höhenlagen tut sich eine Art Naherholungsgebiet mit vielen Cafes und Freizeitaktivitäten für Familien mit kleinen Kindern auf. Viele campen hier neben ihren SUVs unter den Bäumen und lassen ihre Kinder auf den vielen verwitterten Spielanlagen rumtollen. Es gibt sogar Riesenräder, die mit Fahrrädern angetrieben werden. Die Straße mündet schließlich in eine T-Kreuzung. Vor mir unten im Tal liegt Rasoun. Obsthändler ziehen durch die Straßen und werben mit Megaphonen schallend laut ihre Ware an. Die Moscheen werben derweil auch schon für den Nachmittags-Allah. Zeit nach einer Bleibe zu suchen. Zelten wird schwierig, dafür hätte ich dem Weg folgen müssen. Fünf Nummern zeigt meine Exceltapete für Rasoun an. Na dann woll'n wa mal: 1 und 2 gehen nicht ran. 3 gibt's nicht mehr. 4 geht keiner ran. 5 ist falsch geschrieben, ich komme in Israel raus. Abwarten. Da meldet sich 1 bei mir auf arabisch. Ich verstehe nix, mein Gegenüber ebenso. Auflegen. 1 ruft zurück. Eine Frau geht jetzt ran und freut sich hörbar, ihr Englisch auspacken zu können, um mir den Weg zu leiten. Währenddessen klingelt 4 durch. Zu spät. Ich will 1, die haben nen Stempel laut Excel. Doch zuerst muss ich noch 300 Höhenmeter steil hinab und drei Beduinenhunde mit meinen Boardkanonen verjagen. Einfach weit weg werfen, die Steine, und schon wollen sie dem 'Ball' hinterherlaufen, juchuuuu! Weg bin ich. Ob das bei Kindern auch funktioniert...
Ich erreiche mein Domizil nach 26km Durchmarsch in Rasoun mittels Googlekoordinaten um Punkt 17 Uhr und werde von zwei Frauen erwartet. Nicht, dass sie mich ansprechen würden, sie holen per Handy Ahmed, einen der Söhne, herbei. Die Frau am Telefon erkundigte sich, ob ich mit meiner Frau unterwegs sei. Bin ich nicht, also muss Mann ran. Ahmed kann aber kein Englisch. Der Googleübersetzer ebnet die Kommunikationsbarriere jedoch echt gut ein. Wir kommen bestens klar. Und wieder macht Google uns ein kleines Stück abhängiger. Warum noch Sprachen lernen? Gut, dass das die Frauen können, die nicht mit mir sprechen dürfen.
Meine Behausung ist eine ganze Ferienwohnung. Ich habe schwere, dunkelbraune Bettwäsche. Und Kleenex Tücher. Jordanier lieben Kleenex Tücberkistchen und Desinfektionsflaschen, im Bad, im Wohnzimmer, im Auto. Der Besitzer ist offizieller Trail Angel des Jordan Trails. Entsprechend hat er auch Infomaterial hier. Die Einrichtung wurde zum Teil gesponsert. Am Kleiderschrank und am Kühlschrank kleben USAID-Plaketten, ein Glastäfelchen weist auf die Bedeutung hin. Der Jordan Trail ist auch ein Entwicklungsprojekt gewesen wie der Eco Park, unterstützt unter anderem von der Organisation, die Kettensägenmann Musk gerade plattgeDOGEt hat.
Ahmed kommt herein und bringt den Trail Stempel sowie mein Abendessen für 5 Geld, das jedem Restaurant Konkurrenz macht. Er dokumentiert alles heimlich per Smartphone, fragt mich dann aber, ob wir ein Souvenirfoto machen können. Machen wir, für mich natürlich auch. Ich esse auf der Terasse, während der Muezzin mit dreifach versetztem Echo die Stadt zum Abendgebet einschallt. Schließlich entdecken mich die Kids nebenan. "Hello hello money money!" Wer säht hierfür den Samen? Zeit reinzugehen. Vielleicht bete ich einfach mal mit. Der portable Teppich dafür lehnt im Schlafzimmer an der Wand. Beten wir für mehr Völkerverständigung ohne Steine schmeißen.

Entspannt werben

Googlebrückenschlag

Abendgebet