Oliver

21.08.2016 Dingle

  

Der Regen hat über die Nacht nicht aufgehört. Nur der Wind hat nachgelassen. Das kann ich vom Frühstücksraum aus daran erkennen, dass die Tropfen nicht mehr horizontal, sondern im 45 Grad Winkel herumsprühen. Ich entscheide mich dennoch zu laufen. Mir wurscht jetzt. Frances nimmt den Bus, der gegen Mittag in Annascaul losfährt. Na dann bin ich mal gespannt, ob Schwimmbadfeeling meine Laune vermissen kann, also Musik in die Ohren und durch. Draußen ist es mit 16 Grad geradezu warm für den Regen. Nach 5 Minuten bin ich klatschnass. Nach 10 Minuten regnet es auch in die Jacke. Es geht wieder entlang des Kerry Camino. Und die Iren meinen das tatsächlich ernst. Er geht von Tralee bis Dingle und kann in 3 Tagen erwandert werden. Stempel für den Credencial gibt's in Briefkästen an besonderen Ecken wie bspw. den Südpol in Annascaul, den man extra für die Dorfberühmtheit, den Antarktisforscher Tom Crean, dorthin verschoben hat. Der kommt nämlich von Annascaul und hat dort nach seiner 27-jährigen Forscherkarriere geheiratet und 1927 das "South Pole Inn" eröffnet, das auch gestern Abend bombig besucht war. Ja, so macht jeder einen Jakobsweg. Von Dingle ging es einst tatsächlich mal direkt rüber nach A Coruña in Galizien per Schiff, von daher ist es durchaus realistisch, dass Pilger dorthin marschiert sind, um nach Santiago zu reisen.
Für die 20km bis Dingle im Dauerregen brauche ich 4 Stunden. Genervt hat mich der Regen allerdings nicht. Wir haben ja schon eine Unterkunft gebucht. Ich musste mir nur vorstellen, wie kuschelig es jetzt doch wäre noch schön das Zelt aufzubauen und darin klatschnass die Dunkelheit abzuwarten... Nööö, B&B ist was Feines. Da konnte ich mich trocknen und wir haben auch so noch Dingle kennen gelernt. Kleines Touristädtchen mit bunten Häuschen, die Irland vermarktungsreif in Szene setzen, sodass jeder Bustouri auch seine true authentic Ireland scenery in die Handykamera einfangen kann. Ich war echt da und da sah es sooooo hobbitmäßig aus. Die leben wie die Hobbitse, die Iren... hört man jedenfalls deutsche Menschen in Souvenirshops feststellen. Naja, neuerdings sind auch alle Luke Skywalker hier. Und auch die Kassiererin würde ihre roten Zöpfe am liebsten zu Ohrenschützern verdrehen, als sie einem kleinen Jungen stolz berichtet, dass ihr Freund Luke's Skellig-Set mit aufgebaut hat. Die Macht war sowas von mit ihm. Und der Kleine bekommt staunende Augen, so groß wie der Todesstern.
Aber auch sonst gibt's was zu sehen. Die irische Modevorstellung bei mildem Starkregen sind Poncho, Pudelmütze, Leggins und Gizeh-Birkenstocks für die Frau, Kerry-Fußballtrikot mit Hose und Adiletten für den Mann und das Selbe nochmal für den Kleinen, nur mit Kroks. Da kann man prima in die Pfützen springen huiiiii platsch, voll auf die Skywalker-T-Shirt-Auslage. Egal, war eh nass. Und ziehts ins Aquarium, echte Dingle-Sharks gucken. Draußen in der Bucht schwimmt dabei die Lokalberühmtheit, ein verirrter Delphin, herum, der irgendwann vor ein paar Jahren verletzt in die Bucht schwamm, von den Dinglern repariert wurde und blieb und seitdem prima mit Sighting-Garanteed-or-Refund-Bootstouren vermarktet wird. Ne Bronzestatue am Hafen hat er auch schon bekommen. Und nen Pub. Und nen Buch. Und nen Manager. Mich würde nicht wundern, wenn der 100 Jahre alt wird, der Delphin.
Aber Kitsch und Tand hin oder her, die Iren selbst stehen voll auf sowas. In allen privat geführten B&Bs türmt sich, mehr oder weniger geschmackvoll drapiert, haufenweise Kitschzeugs, manchmal durchaus mit ironischem Witz: der sture Opa glotzt da z.B. aus einem rosa Herzchenrahmen mit der Aufschrift "Laugh!". Die Enkel hingegen posieren im Opa-Dress vor einem Bibliotheksregal wie die nächsten Landlords im Jahre 1929. Ansonsten lichte ich von Zeit zu Zeit mal ein paar nette Impressionen ab. Gibt immer was zu sehen. Für heute allerdings nur noch Olympia und dann ab in die Haia. Morgen wirds endlich wieder trocken!