Oliver

16.08.2016 Glenbeigh

  

Der Tag beginnt weniger schön. Mit der übernächsten Etappe verlassen wir den Kerry Way in Richtung der Dingle Halbinsel und kommen damit in Hiker-Niemandsland. Bislang war das Ergattern eines Zimmers ein Leichtes. Die Leute sind auf Kerry Wegler eingestellt und es gibt viele Möglichkeiten. Doch zwischen den Wegen war es das dann auch mit der großen B&B-Auswahl. Also hab ich mal Airbnb installiert. Ansich ja ne ganz nette Sache bei Privatpersonen unterzukommen. Aber das registrieren war so dermaßen verschachtelt, dass ich gleich drei Zimmer auf Einmal gebucht hab, weil ich meine Online-Identität verifizieren soll. Ein Anruf bei der Hotline ergab, dass ich mich auch gerne mit Facebook, LinkedIn und Waibu verifizieren kann. Schön, wenn man das alles nicht hat und nicht will. Das geht natürlich auch anders. Dafür muss man nur ein Video mailen, auf dem mindestens 6 Sekunden Blödsinn gelabert werden muss.... Was mich zur Frage bringt: was ist eine Online-Identität? Etwas Blödsinniges? Das weiß ich schon, seit ich 1997 zum ersten Mal gechattet hab und dabei mein zweites Ich kreierte, das ich so gerne für mein wahres Ich halten wollte. Also brauche ich das Video oder einen Facebook-Megahengsten von mir, um mich als mich auszuweisen, was schizophren ist. Ich bin doch ich. Was ändert eine selbstverliebte Facebook-Kopie daran? Und warum soll ich Airbnb dafür Zugriff auf meine Facebookfreundesliste gewähren? Dennoch erkenne ich in Facebook endlich den pragmatischen Sinn einer Trash-Identität, um billig übernachten zu können, falls mein Charme per Video nicht zieht. Das will ich natürlich niemandem vorenthalten. Wenn Airbnb mich damit für authentischer hält, dann kann es nur wertvoll sein, es mit der ganzen Welt zu sharen, auf dass ihr es alle liken tut.
Ich war sauer. Bei jedem schnöden Onlinekauf reicht PayPal, aber Airbnb will meine Freunde und mich duzen. Eine sehr gute Grundmotivation, um die ersten 10km ohne Pause loszupreschen. Der Weg heute ist gerade. Und das für 28km. Und es bleibt bis abends auch schön. Wir überqueren einen Berghang, auf dem sich millionen fliegender Ameisen zum Begattungsflug einfliegen, laufen auf einer alten Höhenstraße, über einem stillgelegten Eisenbahnviadukt und vielen Bauernhofruinen hinweg, bis wir gegen 18 Uhr schließlich steif vom gleichmäßigen Laufen Glenbeigh erreichen, das auch den Ausstiegspunkt des Ring of Kerry markiert. Der Weg führt von hier aus weiter nach Südosten zurück nach Killarney. Für uns geht es weiter nach Nordosten. Wohin, weiß ich noch nicht. Dank fehlender Verifikationsbestätigungsmail kann ich auf Airbnb noch nichts buchen. Aber es findet sich bislang auch so immer was nettes. Zur Not tuts auch Zelt auf Wiese.