Oliver

14.08.2016 Waterville

  

Draußen rauscht etwas schon die ganze Nacht und die Vorstellung begleitet mich in die Träume, dass es morgen ohne Ende schütten wird. Das stimmt mich missmutig. Ich will garnicht aufstehen. Irgendwann tue ich es doch, mache das Fenster auf und Blicke auf ein rauschendes Flüsschen. Alles ist trocken. Na super. Hätte ich das nicht vor den Träumen sehen können?
Gestern Abend bin ich noch raus auf den Strand, mal gucken, was da so ist, während sich Frances frierend in die drei Bettlakenschichten eingewickelt hat. Sie friert jeden Abend vom wandern. Trotzdem haben wir uns gut aklimatisiert. Morgens erwartet uns unten ein Frühstück im Wohnzimmer der Besitzer. Ich mag das familiäre, das wir bislang auf dem Weg erfahren. Wir kommen ins Gespräch, aber unser Gastgeber kommt nicht mehr heraus und erklärt uns geschätzte zwölf Alternativen den Kerry Way weiter zu gehen. Das will ich gar nicht alles wissen, aber nach dreimaligem "we'll pass the coastline" gebe ich auf. Aus der Küche kommen vielsagende Kommentare in Richtung ihres Mannes, während sie uns Eier und Speck brutzelt. Ihre ganze Familie ist heute in den anderen Zimmern zu Besuch und wir bekommen alle einmal vorgestellt, um "Hi" zu sagen.
Heute ist nicht viel zu tun. Die Strecke ist 18km inkl. Küstenverlängerung lang und ich hab schon ein B&B gebucht. Ich bin für Zeit lassen. Und das lohnt sich heute auch. Während wir am Strand und den Hafen von Derrynane vorbeifahren, klart das Wetter bis zur Wolkenlosigkeit auf. Im Hafen schwimmen eine Menge Kinder und springen von der Hafenmauer. Allerdings alle mit Neoprenanzügen. Andere paddeln in Booten zwischen den kleinen Inseln in der Bucht umher. Draußen vor liegt recht imposant der Felsbrocken Skellig Michael imposant aufragend herum und erwartet seine täglichen Besucher, die sich per Boot hinüberfahren lassen können, um sowohl auf den Spuren der Mönche des einstigen Klosters, als auch auf denen von Luke Skywalker wandeln wollen, der dort einst sein Exil fand.
Einen Hotspot für alle Bustouristen passieren wir auch. Das ist immer da, wo alles irischer als in Irland aussieht. Auch der ultimativ beste Blick Irelands erwartet die vielen Handycameras. Ich find den Hotspot auch gut. Da kann man mal aufs Klo.
Wir erreichen Waterville nach einer schönen Bergüberquerung gegen Nachmittag. Ein verschlafenes Örtchen mit Supermarkt und Slushmaschine. Historisch gesehen für mich allerdings spannend, denn von hier aus hat die Great Eastern im Jahre 1858 das erste transatlantische Seekabel nach Neufundland verlegt. Erkennen kann man davon leider nichts mehr hier. Dafür war aber auch Charlie Chaplin hier und man versucht den Umstand, dass er sich hier wohl ganz wohl gefühlt hat vor allem bei der Touriinfo, bei der wir uns nach einem Supermarkt erkundigten, und einem Filmfestival, das im Septermber stattfindet, zu vermarkten. Uns fällt dennoch auf, dass alle Orte und Häuser ein bisschen ausgestorben wirken, obwohl sie es eigentlich nicht sind. Mag sein, dass gerade die normalen Familienhäuser den Eindruck bestärken, wie sie so da stehen auf ihren riesigen Golfrasenwiesen mit glattem, weißen Putz und Astphalthofeinfahrt. Ich muss unweigerlich an The Sims denken, wenn man sein erstes Haus kreiert. Das sieht auch so aus... in der Version von 1999. Amerikanische Kaufhaushäuser, irgendwie unecht.
Unser B&B liegt etwas außerhalb an der N70. Könnte auch ein amerikanisches Motel sein, aber das Bett ist toll und der Blick auf die abendsonnenbeschienenen Berge auch. Wir versuchen gerade eine Bootstour zu buchen. Frances will Mönchsspuren erkunden. Ich will die Macht suchen, die mit mir sein möge. Das Eine könnte man vom Weiten durchaus mit dem Anderen verwechseln... oder erkunden wir schlussendlich das Selbe?