Sendero Circular de El Hierro

20.04.2024 Terminus

  

Ein Meilenstein steht heute an. Vor mir liegen die letzten 5,7 Kilometer des GR 131 bis zum Leuchtturm Faro de Ochilla, dem westlichsten Punkt der Kanaren und damit Spaniens. Hier war bis 1884 auch der Ferro-Meridian bei 17°40'. Ein relativ bedeutender, historischer Punkt also. Es geht nur noch abwärts von der Eremita Virgen de los Reyes in die Steppenlandschaft und weiter in vergleichsweise junges Lavagestein. Das ist nicht mehr viel und wir drei können im Anschluss noch mehr mit dem Tag anstellen. Und so beschließen wir, für die diesjährigen Verhältnisse früh, um 10 Uhr, aufzubrechen, sodass wir halb 11 Uhr oben sind. Frances mag die Straße HI-500 dorthin nicht und ich fahre mich selbst hoch. Ich hingegen mag das Sträßchen sehr. Es hat was altes an sich. So stelle ich mir die Straßen vor, die vor 50 Jahren als erste Asphaltstraßen angelegt wurden. Zwei drei Autos mehr sind es. Wir haben Samstag. Die Einheimischen ziehen los. Ich frage mich, ob es auch Wochenendtouristen von Teneriffa gibt, die hier ihren Kurzurlaub verbringen wie wir radeln gehen im Saaleland oder so.
Ich setze mich ab, die beiden machen erstmal Picknick und fahren dann irgendwo hin wandern. Für mich geht's entlang einiger Höhlenbauten von Ziegenhirten. Momentan ist niemand hier. Damach geht es stetig abwärts. Ich quere oft die HI-500, die vor dem Leuchtturm endet. Es ist der erste Tag, an dem die Fußsehne Ruhe gibt. Bis hinunter vor den Vulkan Orchilla, der den Leuchtturm verdeckt, läuft alles ohne Ziehen und Stechen. Sollte ich mir die Entzündung tatsächlich langsam weggelaufen haben? Sogar Zehenspitzen geht. Ich hab gleich 100% mehr Spaß und fühle mich nicht mehr wie ein einbeiniger Invalide.
2 Kilometer noch, da fahren Leander und Frances an mir vorbei. So langsam hat Leander Spaß am Wandern hier entwickelt und möchte so gerne mit mir mitlaufen. Na die letzten beiden Kilometer machen wir erst einmal zusammen. Morgen schauen wir weiter. Er hat sich heute zum dritten Mal das Knie aufgeschlagen. Routiniert weiß er mittlerweile, was zu tun ist: Auswaschen. Und Salzwasser brennt zwar, aber nur kurz. Rechts und links des Wegs sind kleine Vulkankrater. Wir schauen bei einem hinein. "Gar kleine Lava drin! Die war mal da in der Mitte, stimmt es?"
Dann stehen wir vor dem Leuchtturm. Ein quadratisches Schild zeigt an, dass hier das offizielle Ende meines Wegbereiters GR 131 und damit des gesamten E7 ist. Nach 6 Jahren und 7 Inseln ist der Terminus erreicht. Ehemaliger Nullmeridian, ehemaliges Ende der bekannten Welt. Sollte es sich für mich bedeutsamer anfühlen? Naja, noch nicht. Erst nächste Woche vielleicht. Dennoch werde ich die Inseltraversen wohl ein bisschen vermissen. Es bleibt nur noch, den südlichen Teil des Sendero Circular weiter zu laufen, der beim Hafen endet. Aber heute muss das Etappenziel gefeiert werden. Es ist erst 13 Uhr. Erstmal ausgiebig baden gehen und dann essen.
Die Wolken haben sich mittlerweile den Hang hinaufgeschoben und es wird warm und sonnig. Wir steuern die nächste Pfütze an: Charco Azul. Eigentlich wollten wir zuvor noch den weißen Sandstrand. Aber das heißt hier, dass jemand einen Sack Spielsand verloren hat. Ins Wasser reingehen, das wird nix. Beim Charco hingegen geht die Sonne gleich zweimal auf. Der Ort ist Instagram-geeignet. "Places that don't feel real" oder so. Man muss nur genug Sättigung in der Nachbearbeitung geben und den Dunstreduzierer auf Maximum drehen, etwas HDR und den ein oder anderen Bildschmutz mittels KI wegzaubern sowie die überflüssigen Pfunde meines Bauches, die ich nicht wegmagern kann und die Augenringe, die ich nicht wegschlafen kann... fertig!
In reality ist der Place aber auch ohne jedwede Filter magisch schön. Ist halt nicht der Ort wo jeder ist und daher ist die Zahl der Gäste überschaubar. Wir verbringen über drei Stunden hier, tauchen, jagen Krebse, klettern durch sechseckige Basaltfelsen und ich versuche einmal mehr das echte, gläserne Türkis-Schwarz des Charcos einzufangen, das ich so liebe... und natürlich uns.
Am Abend zieht's uns zum Essen rüber nach La Punta auf einer schnurgeraden Straße, die durchs Tal führt. Viele Charcos liegen hier unten auf dem Weg. Ich liebe diese Naturpools mittlerweile. Leider bleibt heute nur noch wenig Zeit und wir verlagern einen Besuch auf die Tage. Erst einmal Fisch essen. Das Etablissement ist herrlich gelegen und es gibt Fisch. Viel Fisch. Und Salzschrumpelkartoffeln. Leander möchte so gerne Moräne essen. Die Bedienung schaut ihn irritiert an und verweist auf die hausgemachten Fischstäbchen. Aber nö. Leander ist Oliven, trinkt Mamas Kaffee, liebt Muscheln und Gambas... wo ist also das Problem?! Wir essen uns kugelrund. Herrlicher Tag. Schöne Wegabschlussfamilienparty. Mach's gut E7.