Sendero Circular de El Hierro

19.04.2024 Nuestra Señora

  

Wir kommen ja immer recht spät los. Stört mich nicht, weil Fuß und rumliegen und so. Aber so schaffe ich natürlich auch nix und die Insel dehnt sich spürbar aus. Ein paar Natillas in den Bauch geschraubt und dann ab in die Berge zum Cruz de los Reyes unterhalb des Malpaso. Die beiden wollen heute eine Wanderung durch den Lorbeerwald machen, wo ich gestern durch bin. Das passt doch gut. Ziel ist mindestens das Ende des Camino de la Virgen, wie der GR 131 auch heißt. Vielleicht geht's auch noch weiter. Das mache ich aber fußabhängig.
Dort angekommen, merke ich den Wetterumschwung. Es sind 15 Grad und es ist feucht. Die Wolken wälzen sich über den Bergkamm hinab in den Süden und machen meine Sparklamotte bestehend aus Badehose und Netzhemd quasi inexistent im negativen Sinne. Es fühlt sich saukalt an. Ich muss schnell in Bewegung kommen. Das fällt nicht schwer, ich muss nämlich nochmal zum Malpaso hoch, sagt meine Karte. Der Weg führt nur dort oben entlang. Alles Andere führt abseits. Na toll, das war nicht geplant. Aber was soll's. Vielleicht ist der Ausblick auf's Tal ja heute frei. Oben angekommen erhasche ich ein kurzes Wolkenloch, in dem ich tatsächlich hinunterschauen kann. Schon irre. 1,5 Kilometer nahezu senkrecht hinab zu schauen. Steifer Wind zieht die Wolken direkt durch mich nach oben hindurch und es bilden sich kleine Wassertröpfchen auf meinen Härchen. Am Markierungsblock auf dem Gipfel liegt auf einmal mein Buff herum. Ich bin erstaunt. Den muss ich tatsächlich gestern verloren haben. Na dann hat sich ja der doppelte Aufstieg sogar richtig gelohnt. Zufrieden trete ich den Anstieg entlang des Kamms an und es wird sonniger. Die Wolken wabern wieder eine etage Tiefer auf etwa 1000 Meter. Toll, auch mal Sonne ohne triefnass zu werden, ein horizontaler Weg durch Vulkanasche und Lorbeerwälder und niemand weit und breit. Auch die Wanderparkplätze sind alle verwaist. Es ist still. Nur ein paar Raben verfolgen mich. Ich will Wind- und Sonnebaden und ziehe mich aus.
3 Stunden lang schlendere ich über den Kamm, schaue ab und an in den Abgrund und laufe weiter. Hier oben hat man kein Wasserproblem. Alle Nase lang gibt's 'nen Fuente in der Wand mit Quellwasser. Trotzdem warnt man davor, dass es kein Trinkwasser wäre. Muss wohl Versicherungsgründe haben.
Gegen 15 Uhr trete ich erst den Sinkflug unter die Wolkendecke an und wird mir klar, ich komme nicht wirklich schnell voran. Mein Servicemobil ordere ich an das Ende des Caminos, an dem eine Kirche zu Ehren der Schutzpatronin El Hierros erbaut wurde. Es wird wieder klammfeucht und ich packe mich wieder in meine Sachen, die wirklich nur optisch das Gefühl vermitteln, der plötzlich aufkommenden Kälte etwas entgegen setzen zu können. Es geht einen sehr gerölligen Weg hinab und meine Sehne wird mächtig strapaziert, hält aber erstaunlich gut durch heute. Dennoch bin ich lamgsam. Es ist 16 Uhr, als ich die Kirche erreiche. Die beiden kommen mir gerade entgegen.
Ende des Camino de la Virgen, nicht jedoch des GR 131. Auch der Sendero Circular trifft hier wieder darauf. Perfekter Punkt zum Zwischenstop. Die Kirche hat sogar geöffnet. Na dann machen wir auch mal eine offizielle Landung vor der Jungfrau. Mich überkommt ein anerlerntes Schamgefühl. Darf ich das in dem Aufzug und gelbschwarz eingefärbten Füßen? Naja. Wie denn sonst? Fühle mich ein wenig wie ein Pilger. Mich würde nicht wundern, wenn hier irgendwo ein Stempel zu kriegen ist für den Credencial. Nebenan jedenfalls ist ein Shop oder sowas, der sogar geöffnet ist für... naja... uns. Keiner sonst ist hier.
Abwärts geht's entlang der Küstenstraße um die Westseite der Insel herum. Hier hat vor nicht allzu langer Zeit Lava die Insel verlängert. Viele kleine Vulkantrichter säumen die abschüssige Ebene zur Küste, durch die ein winziges Sträßchen gefräst wurde, das uns in die nördliche Calderabucht zur Unterkunft bringt. Es sieht schroff aus. Es könnte auch ein Teil des Timanfaya-Parks sein. Hier sollten wir noch einmal hin, um in Ruhe ein paar Bilder zu machen. Auch die inseltypischen, seitlich gekrümmten Bäume gibt's hier zu Hauf. Der Wind weht hier wohl häufiger ums Eck. Aber erstmal müssen wir direkt zur Unterkunft. Wir haben uns um 17 Uhr verabredet. Auf 300 Meter Höhe erreichen wir das Domizil auf abenteuerlichen Steilstraßen, die Anfahren nach stehen bleiben unmöglich machen, es sei denn, man möchte die Kupplungsscheibe wegschleifen. So richtig zu finden ist sie dennoch nicht und ich verständige mich mit der Besitzerin mit meinen Spanischbrocken. Das klappt aber ganz gut. Ich verstehe mehr, als ich antworten kann.
Wir haben einen Überblick über die gesamte Bucht. Über uns wälzen sich weiter die Wolken den Hang hinauf. Hier beginnen einige PR-Wanderwege, die sich den Hang hinauf winden. Ich habe sie von oben schon gesehen. Trügerisch sind sie. Nur 5 Kilometer suggerieren einen schnellen Auf- bzw. Abstieg. Dass da noch 1400 Höhenmeter hinzukommen steht da nicht. 3-4 Stunden werden sowas schnell, das weiß ich mittlerweile aus Erfahrung und mit meinem Fuß aktuell kaum machbar, weil ich rechts nicht auf Zehenspitzen stehen kann, was wichtig für einen steilen Aufstieg dieser Art wäre.
In der Tienda um die Ecke kaufe ich Abendbrot. Dort gibts es von allem eins. Eine Tomate, eine Paprika, ein Käse usw. Also improvisieren wird einen Thunfischsalat. Dafür gab's gleich drei neue Aloe Vera Drinks. Muss ich probieren! Wir haben Katergesellschaft. Er ist wild, hängt aber trotzdem hier rum auf der Suche nach runter gefallenem Mampf, sagt die Besitzerin des Hauses. Leander ist begeistert, will streicheln und der Kater reckt bereitwillig den Hintern nach oben. Ihr Mann ist neugierig. Alemania? Si. Düsseldorf? Ääh, cerca de Düsseldorf. Na komm, NRW passt doch schonmal.
Leander ist immer im Katerfieber zur Zeit und schafft es kaum zu essen. Immer muss er hin und streicheln. Auch im Auto ist zur Zeit permanent die selbe Geschichte von Petersson und Finus angesagt, die er immer wieder zurückspult, um die lustigen Stellen noch und noch und nochmal zu hören. Vor allem Caruso, der Hahn, der nicht Kickeriikiiiiiiiiiiii machen darf. 100 Mal repetiertes Kickerikiiiiiii durch die Kehle von Ulrich Noethen. Mindestens! Boah. Eigentlich genial. In Maßen! Na hauptsache er bleibt während der Fahrt beim Laune und pennt nicht ein. Das soll er abends machen, damit wir quatschen und ich schreiben kann.