Sendero Circular de El Hierro

16.04.2024 Las Calcosas

  

Die Nacht war eine Improvisation. Unsere Unterkunft hat nur ein Doppelbett und ich hab es mir notgedrungen mit allerlei Kissen auf dem Boden gemütlich gemacht. Ständig ist mir irgendwas eingeschlafen, nur mein Kopf nicht. Irgendwie ist es dann aber doch recht schnell 8 Uhr geworden. Ich muss also schon geschlafen haben. Alle halbe Stunde ein anderer wirrer Traum.
Die Terasse liegt noch halb im Schatten und wir können dort in Ruhe frühstücken. Kater Leander baut derweil die nächste Katerhöhle. Ruhe ist heute sehr Morgen relativ. Er ist sehr überdreht und es passieren ständig doofe Kleinigkeiten, die einen langsam aber stetig aus der Countenance ziehen. Joghurt fällt auf den Boden... oder er strampelt mit seinen Sandalen die Wand gelb oder er vergisst auf dem Weg zum Zähneputzen vor lauter Ablenkung, dass er Zähneputzen muss. Und wenn Zähneputzen, dann muss aber seine Lieblingsschnur mitkommen. Wo ist sie nur? Und einer von uns natürlich auch. Und wenn nicht, wird rumgebockt. Bis zu einem gewissen Grad halte ich das aus. Aber irgendwann reicht es, weil man nicht vom Fleck kommt. Ich muss gestehen, dass mir in diesem Urlaub die Geduld schneller abhanden kommt als Frances. Niemand ist schuld, aber ich merke halt schon, dass dieses Klein Klein vor allem in der Dreierkonstellation präsent ist, weniger, wenn nur einer von uns mit ihm zusammen ist. Da gibt es einfach keinen Gegenspieler.
Wir schaffen dann irgendwie die Wohnung auch um 12 Uhr zu verlassen und ich muss dringend hoch in den Wald, was anderes denken. Frances und Leander zieht es an den Strand im Hafen und natürlich wohin? Ins Bällebad... unter anderem natürlich auch, weil man dort Eis bekommt. Jedem sein Glückchen.
Mein Weg führt noch weit hinauf. Wald und richtige Wiesen vermischen sich mit Kakteen. Ein wildes Gemisch aus klassischem Wald und Wüstenvegetation. Schön hier. Ich laufe gedankenverloren einen Gebirgsweg entlang, ziehe die Schlappen aus und freue mich, dass es still ist. So sehr freue ich mich, dass ich gedankenverloren die Richtung aus den Augen verliere. Auf einmal bin ich oberhalb des Windparks, den ich gestern passiert hab. 3 Kilometer daneben. Wie konnte das denn passieren? Was mache ich denn jetzt? Mein Instinkt sucht dringlich eine Alternative, die nicht "zurückgehen" heißt, denn das fühlt sich immer wie Versagen an. Ein Blick auf die Topokarte sagt mir aber "versag mal, mein Lieber". Du hast einfach mal gut gepennt. So wird aus 9 Kilometern dann mal eben 15. Tolle Wurst. Ich schlurfe zurück und finde dann auch den übersehenen Abzweig, der halt nur eine Piste war. Er führt weiter über den Bergrücken an einer... wie soll ich es nennen... Parkruine vorbei? Man hatte auch hier offensichtlich mal Großes in Sachen Wandern vor. Ein Wanderzentrum mit vielen Wegen, Schildern, einem Besucherhaus samt großem Parkplatz. Alles verwittert und überwuchert. Das mit der Wanderinfrastruktur ist glaub ich eine völlig fehleingeschätzte Investition des Kanarischen Tourismusverbandes gewesen. Auf allen Inseln nicht nach den Jahren nur wenig Enthusiasmus übrig alles noch Instand zu halten, was mal mühsam errichtet wurde. Na immerhin finde ich hier tatsächlich eine Rundweg-Beschilderung, die aber nirgends im Internet beworben wird. Muss also auch ein entwidmetes Projekt sein. Mir fällt auf, dass es auf der Insel überhaupt keine klassische Touristenurbanisation gibt und das gefällt mir.
Vom Bergrücken aus geht es von nun an bis hinunter zur Küste auf der Straße. Es wird schlagartig wieder karg. Es macht nur bedingt Spaß, weil man doch recht eintönig vor sich hinläuft und ich dann vor allem damit beschäftigt bin meine rechte Ferse zu entlasten. Das nervt immer so latent vor sich hin und ich komme mir recht alt vor. Wir haben die nächsten zwei Tage in Pozo de las Calcosas eine Höhlenunterkunft in einer Steilwand gebucht. Auch hier gibt es Charcos zum planschen. Der Ort hat ein Ober- und ein Unterdorf - ein bisschen so wie Helgoland vielleicht. Das Oberdorf liegt etwa 100 Meter über dem Meeresspiegel und man muss einen steilen Weg hinab zum historischen Unterdorf laufen. Es ist der einzige Zugang dorthin, wenn nicht übers Meer und selbst von dort aus wird es fast unmöglich. Eine eigenartige Idee hier ein Dorf hinzusetzen. Auf halber Strecke liegt unsere Höhle. Vorsorglich haben wir vorher schon eingekauft, um nicht mehrmals hoch und runter zu laufen. Gerade mit meinem Fuß macht das am Abend nach getaner Strecke keinen Spaß mehr. Außer hinab zum Planschen, das geht immer. Und dann Abendbrot aus Salat und Thunfisch auf der Terasse. Leander spielt laitstark Kater in der Hängematte und wir sind wieder Freunde. Es wäre blöd, wenn ich wegen heute morgen jetzt künstlich einen auf bockig mache. Ich finds hier herrlich. Im Unterdorf wohnt gefühlt gar keiner. Alles scheinen Ferienwohnungen zu sein. Entsprechend einsam fühlt es sich hier an. Auch Funknetz und WLAN gibt's hier nicht und najaaa, eine Höhle zieht auch gern die Feuchtigkeit an. Der Blick und die Terasse sind unbezahlbar. Wenn ich das mit Teneriffa vergleiche, weiß ich, dass ich genau das hier will. Frances fand es gestern schöner und braucht dringend mehr Wald.
Ich auch, aber ich möchte morgen eine Alles-kann-nichts-muss-Route laufen. Kein klares Ziel, aber auf jeden Fall hinauf auf den Bergkamm. Dann können wir uns irgendwann einfach irgendwo an einer Straße treffen und und gemeinsam weiter machen. Ich weiß nicht. Vielleicht muss ich mich noch aklimatisieren, aber ich hab erst einmal doch ein Auge auf meinen Fuß.