Sendero Circular de El Hierro

14.04.2024 Nordsüd

  

Leander und Frances schlafen zusammen. Ich verbringe die Nacht in einem fensterlosen Zweibettzimmer. Undenkbar in Deutschland, glaube ich. Ich fühle mich wie in einer Zelle, wenn der Blick nach Draußen fehlt. Der Hahnenschrei weckt uns trotzdem irgendwann um 8 Uhr. Leander und mich zieht es sofort in die Pools vor der Tür, ist doch klar. Ich blubbere im Hot Pot herum, während Leander den Pool sauber keschert. Schön ist es hier oben. "Hier bleiben wir noch länger, Papa, stimmt es?" Leider nicht. Aber was heißt schon leider. Uns zieht es vom Norden zurück in den Süden durchs dschungelige Gebirge, entlang der Wege, die ich vor zwei Jahren gewandert bin, bis hin nach Los Cristianos, um die Fähre um 19:30 Uhr nach El Hierro zu nehmen. Es bleibt also noch viel Zeit und ich habe mir ein paar Punkte ausgeguckt, die wir ansteuern wollen. Ich war noch nicht im nordwestlichen Zipfel der Insel. Da soll ein spiraliger Leuchtturm sein und schöne Charcos zum Schwimmen.
Doch bevor es dort hingeht, müssen wir noch einmal 10 Kilometer in die andere Richtung. Warum? Wegen Germany's Next Topmodel! Naaaaach... ich gebe zu, Frances und ich läuten alle Jahre wieder im Februar den Weg in den Sommer mit der neuen Staffel Heidi Klum Trash ein. Dieses Jahr ist... mal wieder... alles very special. Denn in dieser Staffel gibt's erstmalig auch Male Models. Und was soll ich sagen, der Zickenscheiß hat damit ein Ende, weil die Hühnerschar genügend Hähnchen zur Ablenkung genießen kann. Das gleicht sich echt gut aus, sodass die sexistische Körperschau tatsächlich etwas von einem ernst gemeinten Modelwettbewerb bekommt. Tja und dieses Jahr beginnen 40 Models ihre Reise wo? Im Norden Teneriffas, in der Hacienda el Terrero, ganz genau. Und die liegt 10 Autominuten von unserem Domizil entfernt. Das lassen wir Groupies uns nicht entgehen! Heidi Klum ist da schließlich auf Toilette gewesen.
Dort angekommen erwartet uns aber leider nur eine verschlossene Pforte. Mehr gibt es nicht zu sehen. Tja. Soviel Vorgeschichte für so eine nüchternde Erkenntnis. Verschwendete Leseminuten, was? Ooooooh!
Ein Vergleich der Hacienda zwischen Google Maps und Google Earth, den ich verscreenshottet hab, als mir klar wurde, dass die Drohnenaufnahmen der Sendung einen Ort im Norden Teneriffas filmen, zeigt jedoch einen spannenden Unterschied. Während Earth die Hotelanlage deutlich darstellt, zeigt Maps eine Haciendaruine, überwuchert von Grün. Das Ding muss nagelneu sein.
Weiter gehts zum Leuchtturm entlang der grünen Steilküste auf der TF-5. Hier passt wirklich nicht mehr hin als die Straße. Hier reiht sich Bananenplantage an Bananenplantage und es gibt sogar ein paar schlierige Wolken, die sich an den Hängen abmühen. Am Leuchttum angekommen bleibt Frances im Auto, während ich mit Leander auf der Suche nach Charcos loaziehe. Frances hat sich gestern mächtig die Schultern verbrannt und zieht es vor im Auto zu bleiben. Die zerklüftete Lava-Küste des Nordens hat lauter kleine Naturtümpelchen ausgewaschen. Aber sie müssen steil hinab über scharfes Gestein erklettert werden. Leanders Kletterfähigkeiten des Waldes machen sich erneut bezahlt. Er ist viel geschickter als ich, wenn auch übermütig. Ich muss ihn oft zurückpfeifen. Aber wir kommen an. Und sehen erst einmal riesige Krebse, die vor uns flüchten. Und Fische! Leander ist total fasziniert. Ab ins Wasser! Oh... Badehosen vergessen. Egaaaaal! Plansch! Es wird gequiekt und getaucht und gepaddelt. Aber wir können Mama nicht so lange warten lassen und bleiben nur 10 Minuten. Egal. Das war es wert!
Es geht eine kleine Ministraße hinauf bis auf 1100 Meter Höhe und wieder hinab, bis zum Beginn der Autobahn TF-1. Der Dschungel wechselt wieder zur Wüste und das sehr, aehr sehr hässliche Los Cristianos taucht auf. Bevor wir den Wagen am Hafen abgeben, kaufen wir noch eine Sonnenbrille für Frances und ein Paar kleine Flip Flöppchen für Leander im Panda Shop für Chinabilligzeugs. Die wollte er unbedingt haben, als er gesehen hat, dass alle hier damit rumlaufen. Direkt am Hafen ist auch ein Restaurant. Wir haben Hunger. Daneben die Fleischauslage in Form eines Sandsteandes. Leanders Blick muss man dabei haben. Er sieht nur das Meer und die Wellen und kann es nach dem Essen kaum aushalten. Eineinhalb Stunden lässt er sich von den Wellen durchnudeln, macht einen Purzelbaum nach dem nächsten, bin wirklich in jeder Köperfalte Sand zu finden ist. Das reicht ihm. Also reicht es uns auch, bis wir schließlich um 18:30 Uhr das Auto abgeben und in die Fähre einchecken. Ich beobachte derweil fasziniert einen hageren Mann im Taucheranzug, der mit einem Metalldetektor durchs Meer wedelt auf seiner speziellen Schatzsuche nach touristischem Geschmeide. Dosenpfand sammeln mal anders. Einige Nebengewerbe sind hier zu finden. So auch ein paar Afrikaner mit Mochitos und Eis aus Styroporkisten und Boombox auf dem Rücken.
Die Armas-Fähre nach El Hierro ist mittlerweile auch ein Katamaran, der mit 29 Knoten durchs Meer pflügt. Und so fahren wir in einen immer noch gelblich diesigen Sonnenuntergang, während ich am Ende des Schiffs draußen ins Meer schaue und den heutigen Tag aufschreibe. Leander spielt Uno mit Frances und macht sich neue Freunde mit einem Baggerspiel auf dem Tablet. Neben uns sitzt eine deutsche Familie mit zwei Kindern in seinem Alter. Grad muss er präsentieren, wie sich seine neuen Flip Flops beim laufen anhören. "Hört mal, wie das knallt!" Flip flop flip flop. Ich könnte mir vorstellen, wir sehen die Familie hier und da nochmal auf dem Inselchen. Alle paar Minuten bekomme ich aber auch ein paar Brotsticks gegen ein Küsschen rausgereicht. 22 Uhr werden wir ankommen und haben zum Glück unsere erste Unterkunft direkt an der Hafenmole gefunden. Muss gleich noch die morgige, erste Wanderetappe planen. Ich hoffe nur, dass es sich schmerzfrei läuft. Heute morgen hab ich einen Stich im Rücken bekommen und kann seitdem nicht gerade gehen. Fühlt sich aber an, als wäre das morgen gegessen, hoffentlich. Ich hab sowas manchmal. Aber auch meine Sehne unterm rechten Fuß plagt mich. Schon seit mehreren Wochen laufe ich im Schongang herum, erst recht, nachdem es nach einer Joggingrunde so schlimm wurde, dass ich eine Woche kaum auftreten konnte. Das ist jetzt drei Wochen her und es wurde nur sehr langsam besser. Wir werden sehen. Zur Not hab ich ja diesmal mein persönliches Service-Vehikel in unmittelbarer Nähe mit Ersatzfüßen und Wirbelsäulen.