Circular de Gran Canaria

22.05.2023 Taurito

  

Um sieben Uhr wache ich unter vielstimmigem, widerhallenden Hahnengschrei auf und möchte auch sofort los und diesen Etablissentfehltritt hinter mir lassen. Ein Teil von mir überlegt, ob ich dem Besitzer meine Meinung direkt mitteilen soll. Der andere will einfach Urlaub machen und tröstet sich mit der Erkenntnis, dass ich im Sinne der Erholung im Parador auch nicht besser geschlafen habe. Wenn die Augen zu sind, ist eh alles einerlei. Ich frage mich dabei, wie ein Blinder wohl Urlaub im Sinne eines Tapetenwechsela am Intensivsten gestaltet. Es ist für mich im Grunde unmöglich, mich in einen solchen Menschen hinein zu fühlen.
Heute also noch eine große Etappe. 300 Meter hinauf, 1000 hinunter entlang einer unzählig oft geschlängelten Straße. Am liebsten möchte ich wieder Wege dazwischen finden. Aber eine gewaltige Felswand, die sich beim Losgehen vor mir aufbaut verrät mir, warum es da nichts gibt. Es hilft nichts. Bevor es heute ans Meer geht, muss ich nochmal richtig rauf. Zum Glück wird das Sträßchen um diese Zeit nicht befahren und es macht Spaß. Ich habe mir einen Wegpunkt markiert im Berg, wo ein Weg abgehen sollte, sodass ich gut 8 Kilometer abkürzen könnte... und laufe voll dran vorbei. Ich kehre zurück und finde tatsächlich ein verwaistes Weglein. Hm das liebe ich ja. Solche Wege gehen zu gerne in die Sackgasse. Mach ich's oder nicht? Naja... 8 Kilometer... das Risiko ist es Wert.
Und der Weg ist gut, wenn auch völlig überwuchert mit nervigem, harten Gras. Überall springen wieder diese Heuschrecken herum. Es nervt, aber ich verkürze die Etappe von 29 auf 21 Kilometer, bis ich schließlich einen Spot namens "Pie de la Cuesta" erreiche. Und das ist es im Grunde auch. Ab diesem Punkt lasse ich nach einer Woche entgültig die steilen Berghänge hinter mir. Die GC 200 führt mich ziemlich geradlinig nach Süden durch Mogán hindurch und an die Küste. Hier beginnt auch die Inselautobahn GC 1 und verschwindet sofort in einem Tunnel. Meine Karte zeigt den Weg um das Bergmassiv herum auf der alten Hauptstraße GC 500 in meinen heutigen Küstenort Taurito. Das Problem: nach etwa einem Kilometer ist die Straße durch Verbotsschilder und Barrikaden blockiert wegen Steinschlags. Alle möglichen Strafen werden mir angedroht, wenn ich doch dort langgehe. Das ist ein Problem. Als Fußgänger habe ich keine andere Möglichkeit dort hin zu kommen. Und nun? Es drauf ankommen lassen und trotzdem gehen? Ich traue mich nicht und gehe erstmal zurück zur Autobahnauffahrt und setze mich in den Schatten, Alternativen ausbrüten. An den Stützpfeilern der Auffahrten fallen mir wieder die Grafitti auf. Es muss ein einziger Sprayer sein, der im Küstenbereich die Insel bemalt. Die Bilder sehen toll aus.
Die einzige Alternative scheint ein Bus zu sein. Ich nehme den erstbesten, der in Richtung Las Palmas fährt. 1,40 Euro und 10 Minuten später stehe ich auf der anderen Seite des Massivs auf besagter GC 500, aber immer noch 5 Kilometer entfernt. Was soll's die Straße ist passierbar, sonst käme keiner aus dem Ort raus oder rein und so nehme ich noch einmal eine einstündige Hörbuchetappe auf mich.
Der Ort... vielmehr eine Ansammlung von an die Felswände gelehnte Bettenburgen, ist der Anfang der Tourismusmeile im Südwesten der Insel. Das Wasser ist seicht, die Temperatur mindestens 10 Grad höher als in den Bergen und Tui-Transferbusse ziehen im Zehnminutentakt an mir vorbei. Der Strand des Ortes ist... mickrig. Direkt dahinter reohen sich Wasserwelten von Hotels den Hang hinauf. Hier wird gebraten. Es ist eine trostlose Konsumoase. Weiter im Fels finden sich Bauruinen von Hotelanlagen, die im Rohbau aufgegeben wurden. Willkommem zurück im Pauschalurlaub... und ich mittendrin. Das Schöne ist, ich bin nur einen Tag hker und nehme alles mit der gleichmütigen Distance auf, dass ich schon morgen ein Häuschen weiter gezogen bin. Ich habe ein Appartement in einem der Felsgallerien namens Club Cala Blanca mit Pool und mit Sauna, die ich ganz für mich alleine habe. Nach dann doch fast 30 Kilometern Strecke durch die schöne Berglandschaft ist das perfekr.
Die Küste hat mich wieder. Ich kann nicht sagen, dass ich mich freue, angesichts der paar grauen Minibuchten, die hier schon Strand genannt werden. Dennoch: morgiges Ziel muss sein: einmal im Atlantik planschen gehen. Es kann nicht sein, dass ich am Atlantik bin und wie letztes Mal kron einziges Mal den Zeh in die salzigen Wogen vehalten habe. Aber ich weiß langsam, warum die kleineren Inseln ihren Reiz haben und die großen nur noch abseits der Touristenmeilen.
Aber wenn mich die Küste schonmal wieder hat, möchte ich heute Abend auch Fisch essen. Eine Clubband aus einem Gitarristen und einer Sängerin baut gerade Set auf und begleitet beim Abendessen. Mensch, da fühle ich mich wieder ganz wie das Kind, das 1994 in Costa Calma auf Fuerteventura Abendunterhaltung gesucht hat, weil unser Appartement keinen Fernseher hatte und Sat.1 nur in der Bar lief, wenn gerade bei Ran ein Bundesligaspiel zusammengefasst wurde. Aber die beiden sind echt professionell und schaffen es, das halbe Poolrestaurant samit mir zum Tanzen zu Despacito zu bewegen. Hach, wer hätte das gedacht. Morgen ist Charity Bingo für die Briten. Ich bin dann weg.