Circular de Gran Canaria

17.05.2023 Cruz de Tejeda

  

Ich wache auf in meinem Loch. Der Sturm hat sich gelegt, aber der Nebel nicht. Es ist unter 10 Grad draußen. Verdammt, darauf bin ich wirklich nicht eingestellt. Internet hilf. Internet hilft nicht im Loch. Nichts kommt hier durch. Also nach draußen stellen, frieren und den Wetterbericht abrufen. Die Aussicht stimmt mich milde. Ab 11 Uhr soll die Sonne den Nebel vertrieben haben. So lange will ich dennoch nicht warten. Also improvisiere ich mir aus Wickelrock und Tuch ein Oberteil. Hm... sieht garnicht so blöd aus und hält warm genug.
7,7 Kilometer und 500 Höhenmeter sind es nur bis zu meinem Urlaub-im-Urlaub-Ziel. Ich habe wieder ein Parador Hotel Gefunden genau in der Mitte der Insel, das alles hat, was man als minimalistischer Wanderer braucht. Dort will ich drei Tage bleiben. In Anbetracht der Landschaft hier oben bin ich echt froh die Entscheidung getroffen zu haben. Mich zieht gerade garnichts zur Küste zurück. Ich schlendere gemütlich den GR 131 hinauf, der das Hotel passieren wird und der Himmel gibt sich frei. Es ist schön, das Inland von Gran Canaria. Übermir rasen Wolkenfetzen über die Kiefern hinweg und versorgen mich offensichtlich mit so viel Wasser in der Luft, dass ich bis zum Hotel nichts trinken muss. Meine Schmerzen in Kopf, Füßen und Beinen sind komplett verschwunden. Es dauert offensichtlich 5 Tage, bis mein Körper sich komplett angepasst hat. Es fängt an uneingeschränkt Spaß zu machen, was ich hier tue. Jedes Mal wenn ich anfange, verfluche ich mich ein bisschen und fühle mich körperlich alt. Jetzt ist das alles nicht nur weg, es ist das Gegenteil. Alles fühlt sich an, als wenn es so sein muss und besser als zu Hause. Leider kann ich das nur bedingt mitnehmen. Immer wieder nehme ich es mir vor. Vor allem die Essensumstellung auf das Notwendige ist ein Segen. Hier gelingt mir das spielerisch, was zu Hause eine stetige Appetitqual wird.
Nach ein paar Kilometern passiere ich auf 1700 Metern Höhe Felshöhlen namens Cuevas del Caballero. Irgendwas archäologisch Wertvolles. Ich hab Zeit, setze mich in eine der Höhlen und nutze den einen Balken Internet, den mein Gerät mir gönnt. Hmpf. Es ist nicht leicht. Ich stelle immer wieder fest, dass das Erlangen von Sachinformationen schwer ist über normale Suchmaschinen. Ich bekomme haufenweise Wanderwegvorschläge zu dem Höhlen, Unterkünfte und Restaurants bei den Höhlen, Google vergibt 5 Sterne und 72 Fotos von irgendwelchen Touriselfies, die da waren... und hier dann noch eine Käserei in Artenara, die Höhlenkäse verkauft. Das Internet und erst recht Suchalgorithmen werden mehr und mehr wie die Ferengi. Erst was kaufen müssen, was man nicht wollte und dann doch nichts Brauchbares haben, aber durch Scheiße so dermaßen abgelenkt worden zu sein, dass man völlig vergessen hat, was man ursprünglich wollte. Auf der Seite der Universität von Gran Canaria werde ich schließlich fündig und kann mir mit meinen Spanischbrocken erschließen, dass der Sinn nicht ganz klar ist. Es könnten Hirtenunterkünfte sein, aber auch Plätze, an denen Hexen hexische Hexereien durchführten im Anblick des gegenüberliegenden Zinkens Namens Roque Nublo, der wahrlich majestätisch über den Tälern thront. Abgesehen davon ist das hier aber vor allem ein... hmm... Loch.
Loch ist das Stichwort. Hunger. Ich hab nix dabei und will absteigen zum Hotel.
Das Parador liegt erhaben über dem Tal, dem ich auf Höhe gefolgt bin. Es hat extra für mich einen special Seiteneingang, der über eine Holzbrücke direkt mit dem GR 131 Verbindung hat. Wie edel. Überhaupt ist mein erster Eindruck beim Eintreten kmmer: ich hab weder angemessene Hose noch Hemd dabei. Aber hier steigen auch Wanderer ab, von daher wird es schnell gleichgültig. Mein Zimmer ist ein Stadtard-Hotellzimmer. Die Aussicht nicht. Ich könnte auf einem Berggipfel sein. Nichts stört die Sicht. Drei Tage Bergluxus. Und das werde ich nutzen. Und so fange ich mit dem Spa-Bereich an. Sauna, Regendusche, Pool... und wieder von vorn. Ich war noch nie in so einem Infinitypool. Man darf bloß nicht über den Rand gucken, die Immersion ist sofort im Eimer. Aber als Selfiehotspot zieht er Pärchen magisch an. Schwimmen? Nebensache. Rein, Foto, raus. WhatsApp-Status ist wichtiger. Während ich im Pool liege und das Tal hinabschaue merke ich, dass ich Pärchen störe, weil sie ihre Fotos nicht mehr ohne mich machen können. Ich würde KI empfehlen, die kann mich ja rausrechnen, hehe. Mein Hintern bleibt hier drin und schaue ins Tal. Entmutigt gehen sie in den Jacuzzi am Ende der Terasse. Herrlich. Mich zieht nichts wirklich zut Küste. Sie könnte schön sein, ist dem Tourismus aber auf grausame Weise über Jahrzehnte zum Opfer gefallen. Überall liegt unglaublich viel Plastikmüll, vor allem in Barrancos. Wer hier Einwegpfand einführt, tut ein gutes Werk für die Umwelt. Wer Leuten 10 Cent für jede herumliegende Flasche zahlt, wird reich an billigem Rohstoff für 10 Jahre lang neue Flaschen oder so. Jenseits des Touristenstrudels am Meer wird der Umgang zum Glück respektvoll und die Landschaft fungiert nicht mehr nur als Loch zum Abladen von Zivilisationsmüll. Abpropos Loch... da war ja noch was. Hunger hab ich immer noch. Ich denke hier echt kaum über Essen nach. Aber jetzt. Ins Restaurant kann ich nicht ohne Hemd und Hose. Aber draußen auf dem Parkplatz steht ein Zelt mit einem Eisschild davor. Mal sehen. Das Zelt entpuppt sich als fahrender Supermarkt für lokale Produkte aller Art. Käse, Gebäck, Honig, aber auch Eis und Cola für müde Fahrradfahrer, die hier oben ein mächtiges Spinning-Workout durchziehen. Käse: diez, Kuchen: diez, Brot: uno. Gekauft... und jetzt endlich essen.