Circular de Gran Canaria

12.05.2023 San Antonio

  

Und so sitze ich wieder im Zug nach Köln. Drei Tage nach dem "Skandalkonzert" passiere ich wieder die Lanxessarena und steige in Deutz um in den RE zum Flughafen Köln/Bonn. Alles fühlt sich sehr gewohnt an und läuft wie von selbst. Die Masken sind weitgehend verschwunden. Ein paar Wenige tragen sie noch. Doch vielmehr sind sie jetzt Ladenhüter in den Duty Free Shops. Das war's also. Alles wieder wie 2019. Auch auf Gran Canaria? wir werden sehen. Ein paar Reste der Abstandshinweise kleben von tausenden Schritten betrampelt in den Gängen auf dem Boden und hinterlassen kleine dunkle Rechtecke auf den Fliesen. Und so rückt die Klimadiskussion wieder auf Platz Zwei der Krisencharts vor. Auch wenn das blaugelbe Fahnenmeer merklich in den Hintergrund gerückt ist und nicht mehr zum Beistand auf jeder LED-Wand aufruft, so ist es immer noch der umtriebigste Dauerbrenner in den Medien, nicht so in den Köpfen der Leute hier. Alle wollen wieder ungehemmt Urlaub machen in fernen Landen. Die Fluggastzahlen haben das Niveau von 2019 sogar übertroffen. Auch ich verdränge den Gedanken, Teil einer komplexen Krise zu sein, tröste mich damit, dass mein Flieger auch ohne mich fliegen würde und entschwinde einmal mehr ins Elysium.
Ich bin entspannt wie lange nicht. Leander wird langsam ein großer kleiner Junge und entwickelt merklich Empathie. "Du vermisst mich bestimmt, wenn du weg bist, oder?" fragt er mich heute morgen. Und tatsächlich ist das Bedürfnis der alljährlichen Inselflucht viel kleiner geworden. Seit Leander im Waldkindergarten ist, entwickelt er einen nicht zu bändigenden Bewegungsdrang. Bald können wir das alles hier zu dritt machen.
Vier Folgen Netflix später lande ich auf Gran Canaria. Ich stehe vor dem Terminal. Es ist windig und kühl. Blick nach rechts, auf in den Norden. Die heutige 13km-Etappe beginnt gleich hier und führt entlang der Autobahn in die Nähe von Telde. Es ist nicht schön, aber das Laufen vertriebt die Sitzverspannungen. Den Bergkamm hinauf sieht man das hoch gelegene Inselinnere im Zwielicht verschwinden. Es ist industriell und urban. Es wird wohl gewählt. Überall kleben Politiker auf kleinen Plakaten herum. Es braucht hier anscheinend nicht mehr Überzeugungsparolen außer das Antlitz und den Namen. Auffällig schlicht. Nichts sonst fällt mir ins Auge... zunächst... bis mir unter einer Autobahnbrücke, die ein Bananenfeld in einem ersten Barranco überspannt, die Graffiti an Ruinen und Betonpfeilern auffallen. Mann, da gibt sich aber einer Mühe. Auch ohne kommunalen Auftrag wie auf Teneriffa. Dagegen können unsere Autobahnanarchos aber einpacken. Ich lichte viele Tags ab und fühle mich ein wenig wie in einer Freilichtgallerie, bis ich gegen 21 Uhr mein heutiges Zimmer erreiche. Tja... ein nüchterner Einstieg, so ne Pflichtetappe. Brauche ich nicht wirklich. Aber was tut man nicht alles, um die Insel diesmal auch wirklich komplett zu Fuß zu umrunden. Einmal noch. Es bleiben nicht mehr viele Inseln übrig.
Der örtliche Supermarkt entschädigt mich traditionell mit Clipper Fresa Zero und 7up Mojito. Ach herrlich... und wo ist mein Disney Channel... ich muss mein Spanisch entstauben, bevor es morgen dann richtig losgeht.