Todos los colores brillan alrededor del
Camino de Los Alto

10.06.2022 Icod El Alto

  

Ich fahre mit Leander zusammen Fahrrad, wir beide machen eine Radtour mit seinem kleinen Rädchen und er kommt gut voran. Dann bekomme ich einen Anruf von einer Freundin, die mir einen Vorschlag macht, wie wir beide Seminare für Leute mit Bedarf für irgendwas haben. Dabei vergesse ich glatt, dass Leander nicht so schnell ist wie ich und er geht mir verloren. Ich befinde mich auf einer Hauptstraße und kann nicht erwarten, dass er mich finden kann. Er kann ja nicht einmal alleine anfahren! Oh Gott, den finde ich nie wieder. Und was soll Frances davon halten? Nee, lieber aufwachen.
Und so wache ich auf und bin froh, dass mir damit eine angsterfüllte Suche erspart bleibt. Stattdessen spüre ich meine Backe pochen. Aber es ist nicht der Trigeminusschmerz, sondern das Resultat meiner Rumprokelei gestern. Es nervt, aber ist im Gegensatz zu gestern ignorierbar, wenn man nicht gerade in ein Brötchen beißt. Also bleib ich beim Frühstück bei Joghurt. So ein Blödsinn braucht man echt nicht beim Wandern. Der einzige positive Nebeneffekt: ich kann jetzt in Echtzeit meinen Puls monitoren. Was mache ich denn jetzt? Bus nehmen? Ist grad echt schön hier draußen. Ich geh erstmal den Weg weiter und dann schaumamal. Es geht auf den Teide zu durch eine üppige Flora, bis ich einen Wanderparkplatz erreiche. Eine Schulklasse macht sowas wie ein Klassenfest mit Spielen. Und ich? Na gehen wir erstmal die Straße weiter zum 3 km entfernten Ort und dann schaumamal. Auf dem Weg dorthin beginnt der Corona Forestal. Ein gewaltiges Waldgebiet, dass sich auf einer Höhe um 1200 Metern vor mir erstreckt. Der GR 133 führt getarnt als „Pista Fuente Santa“ mitten hindurch. Es ist schattig und der Weg bleibt auf einer Höhe, sagt mein GPS. Na dann kann ich ja ne Weile darauf laufen, bis… naja… schaumamal. Daraus wird ein über 5 Stunden langer Spaziergang allein durch den Wald. Es rauscht, die Sonne ist über den Wipfeln und lässt mich in Ruhe mein Zahnfleischpochen aushalten. Zeit, mal meine Hochgebirgs-Huachares einzuweihen, mit 2 Zentimeter C-Klasse-Sohle! Bin ich gar nicht mehr gewöhnt, fühlt sich an wie auf Plateauschuhen zu laufen. Aber ich kann die nicht erst direkt am Teide entjungfern, der Waldweg ist perfekt. Schön hier… hätte ich nur vor lauter Schaumamal nicht vergessen genug Wasser mitzunehmen. Ich beschließe nach etwa 10 Kilometern abzusteigen. Ein Familienpicknickplatz liegt auf meinem Weg, da gibt’s Wasser! Irritierender weise führen ständig Wasserleitungen vom Berg ins Tal. Ich höre es rauschen, nur dran komme ich nicht. Am Rastplatz angekommen ereilt mich ein Deja-Vu von La Palma: das Ding hat wegen Corona geschlossen und alle Brunnen sind abgeschaltet. Gar nicht gut, denn diesmal hab ich wirklich nichts mehr. Kurzum beschließe ich direkt abwärts nach Santa Barbara abzusteigen, ohne auf meine Zielrichtung für heute Abend zu achten. Wasser ist wichtiger. 2 Stunden später steige ich immer noch ab und es hört nicht auf. Meine Hände fangen an zu kribbeln, dann meine Arme, dann meine Stirn. Ich Frage mich, wie lange ich noch Zeit habe, mir fehlen offensichtlich Energie und Energieträger.
Plötzlich höre ich Technomucke durch den Wald beaten. Eine Finka kommt im Wald zum Vorschein. Ein junger Kerl sitzt davor. Ich haue ihn an. Er erahnt mein Elend und kommt mit einem 5 Liter Kanister zu mir, von dem ich auf einen Schlag 3 Liter gepaart mit Brausetabletten und Dextro vernichte. Besser. Warum schwitze ich denn jetzt auf einmal wie bekloppt? Und da ist ja mein Zahnpochen wieder.
Er identifiziert mich als Italiener, warum auch immer, und wünscht mir noch einen guten Weg. Es geht immer weiter steil abwärts, über 700 Höhenmeter insgesamt. Meine Beine machen bedenkliche Wackler. Eine Ferreteria & Supermercado kommt in Sichtweite. Ich hole Erdbeer-Joghurt, die noch nie eine Erdbeere gesehen hat, aber egal. Sie ist kalt und kann am Zahn vorbei geschlürft werden. Und so sitze ich vor dem Supermarkt herum, während meine Beine mittlerweile im Zahntakt mitpochen. Die wollen nicht mehr. Blick aufs GPS. 15 Kilometer bis zu meinem Zielort?! Es ist halb 6, vergiss es. Ich bin völlig aus der Richtung abgestiegen. Ich muss so ne Guagua-Station finden, denke ich mir, als ein Taxi an mir vorbei hinauf fährt. Hmmm… das ist ne Sackgasse, what comes up must come down. Also warte ich mal ab. Dem ist 5 Minuten später auch so. Ich halte es an, es ist frei. Na denn, mein erster Taxiritt auf den Kanaren. Der Fahrer fragt, ob ich aus Italien komme. Ich erzähle, dass ich die Insel umrunde und bekomme auf der Fahrt zu meinem Hotel eine kleine Inseleinführung. Sein hat nämlich da oben in den Wäldern ein Haus gekauft, das muy barrato war. Er hört gern Techno. Zufälle gibt’s. Häuser kaufen geht gut, Grundstücke ohne Haus geht gar nicht. Auf die Weise will man die Zersiedelung wohl unterbinden und altes Material nutzen. Nicht dumm... krass, ich versteh das alles, obwohl die Leute hier auf Teneriffa ständig S-Laute verschlucken.
17 Euro erleichtert und 22 Minuten später sind wir da. Mein Hotel Rural ist perfekt nach meinen Ritt. Es hat einen Indoor-Pool, der durch die Sonneneinstrahlung wie in einem Gewächshaus auf 36 Grad aufgeheizt ist. Ein gigantischer Jacuzzi und niemand sonst hier, der mich dabei stören könnte, meine pochenden Glieder einzutauchen. Ich döse ein. Beim Rausgehen spricht mich die Rezeptionistin besorgt an, ob ich Hilfe brauche, weil ich so elendig rumhumple. Dass das quasi normal ist nach solchen Strecken, versteht sie nicht. Morgen ist wieder alles weg… hoffentlich auch der Pulsgeber.