Todos los colores brillan alrededor del
Camino de Los Alto

09.06.2022 Los Partidos

  

Ich wache auf in meiner verwinkelten Hochbettnische, nur leider nicht ganz freiwillig. Meine Backe tut höllisch weh. Das passiert jetzt schon eine Zeit lang und gerade einmal ist es wieder heftig, so heftig, dass alles andere gänzlich zur Nebensache wird. Also sitze ich im Bett, konzentriere mich widerwillig auf das bohrende Gefühl, als könne ich es Kraft meiner Gedanken verdrängen. Es ist still, ich höre meinen hochfrequenten Tinitus in den Gehörgängen. Dass Schmerz so still einfach da sein kann. Ich kann gar nicht an die Etappe denken. Ich will nur, dass es aufhört.
Das sind keine Zahnschmerzen, das ist ein entzündeter Strang des Trigeminusnervs, der adhoc aus dem Nichts meinem halben Oberkiefer zum Glühen bringt, nur um dann 5 Minuten später einfach damit aufzuhören. Nervenschäden aufgrund der Borreliose, kann Monate dauern, bis das wieder repariert ist. Als es aufhört, ziehe ich los. In Anbetracht der Lage nehme ich heute nur Straße. Und es ist qualvoll. Alle 30 Minuten eine Schmerzattacke. Auf einem Kirchplatz mache ich Pause und versuche irgendeine Lösung zu erdenken. Warmes Wasser… keinen Effekt. Kaltes Wasser… auch keinen Effekt. Schließlich piekse ich einen Zahnstocher in die Stelle, worunter der Nerv sitzt. Es klappt, der Gegenschmerz entspannt alles. Was für eine bekloppte Logik, aber gut.
Der Weg ist sehr lang und nicht minder anstrengend auf der Straße. Es geht hinauf auf 1200 Höhenmeter, teilweise auch wieder auf verwaisten GR 133 Resten. So muss man es nennen. Ab und an stehen Schilder in der Gegend, auf denen vor Jahren auch mal etwas zu lesen war. Aber den Weg soll so offensichtlich keiner mehr gehen. Die Wegteile enden manchmal abrupt vor der Schnellstraße, die schmal und stark frequentiert ist. So stark und eng, dass ich auf den Steinblöcken entlang gehe, die gegen den Abhang schützen, was zu vielen Hupern führt. Nicht aus Ärger, sondern eher aus Spaß. Aber Spaß ist was anderes als das hier. Dennoch, landschaftlich ändert sich alles von Tal zu Tal. In der Steppe mit Kakteen ging’s los. Es folgte ein Tal, in dem vor vielleicht 200 Jahren ein Vulkan Lavaflüsse ins Tal gespuckt hab, ähnlich wie auf La Palma letztes Jahr. Schon erstaunlich, wie sich dadurch alles ändert über Jahrzehnte. Krass, dass dort, wo ich ein Jahr zuvor über die Vulkanroute gelaufen bin, jetzt eine völlig neue Landschaft entstanden ist. Hier auf Teneriffa ist es wohl schon länger her, auch wenn meine Topo-Karte die Gegend als aktiv klassifiziert.
Je mehr ich nach Norden komme, desto grüner wird es. Richtig satt grün, sogar mit Graswiesen! Das kenne ich gar nicht aus dem Kanaren. Mein heutiges Hotel Rural liegt inmitten dieser grünen Florafülle, weit ab von irgendwas versteckt. Dass das Hotel überhaupt gefunden wird, liegt am Internet. Nichts weist darauf hin, dass direkt an der GR 133 Strecke auf einmal eins kommt. Weiter vorher hatte man Mal Großes für Wanderer wie mich vor. Eine große Herberge würde gebaut, die jetzt verlassen und überwuchert ist. Scheint so, als hielte sich der Wandertourismus ungeplamt doch sehr in Grenzen. Das Hotel läuft. Alles Wanderer hier. Es gibt sogar einen Minipool. Ich muss natürlich planschen. Mein Nerv entspannt sich mit. Das Areal wurde im Charakter eines rustikalen Dorfs gestaltet und war wohl mal eine Finca. Lauter kleine Vulkangestein-Häuschen stehen umeinander und bieten Schutz vor dem starken Wind. Herrlich hier oben. Heute gibt es Kaninchen, Käse und Milchreis zum Abendessen. Erstaunlich, ich habe seit gestern nichts gegessen, 25 Kilometer auf der Uhr und kein Hungergefühl. Bestärkt mich in der Annahme, dass Essen zu Hause vor allem Ablenkung ist. Man braucht so wenig.
Ich sitze in einem Karminzimmer nach dem Essen und versuche für morgen zu planen. Mein Gefühl sagt, mein Nerv braucht etwas Pause. Vielleicht sollte ich dem nachgehen. Mal schauen, wie ich morgen so drauf bin. Ein französisches Pärchen gesellt sich zu mir, Nesa und Archide. Sie sind in Panik, das Ladekabel ist verschwunden und der Akku leer. Alle Dokumente sind doch da drauf. Na zum Glück habe ich zwei Ladekabel dabei. Wir kommen ein bisschen ins Gespräch. Sie sind mit dem Auto trotz gebuchtem Hotel an der Küste hier heraufgekommen, um mal in einem Hotel in der Wildnis zu übernachten. Aber Nesa hat jetzt Angst, weil es hier oben so ruhig und abgeschieden ist. Na dann werden sie in der Nacht viele Kaltblüter herumkrabbeln hören und denken, es wären Dinosaurier ;-D