Circular de Lanzarote

11.09.2021 "Playita" Blanca

  

Das Frühstück ruft. Nach einem Abendessen, das aus Brot und Oliven bestand, schon sehr früh. Es ist minimalistisch ausgestattet und ich merke, dass ich mittlerweile durchaus verwöhnte Ansprüche habe. Aber ich bin ja nicht zum vollstopfen hier. Wie gehe ich es denn heute an? Klar, erstmal Pool. Und sonst? Starten wir am Leuchtturm. Ich meine mich zu erinnern, dass er vor 25 Jahren noch allein in ddr Wüste stand. Ein paar Anlagen- und Straßenruinen hat man von Playa Blanca aus durchquert. Seitdem wurde heftig geklotzt. Im Gegensatz zu Costa Teguise sind alle Anlagen im Pueblo-Stil entstand. Jedes Ding ein eigenes Dorf aus Strandbungalows, die einen türkisen Plantsch-Flatschen umsäumen. Eine Promenade soll durchfängig entlang der Küstenlinie sein. Sie beginnt direkt am Leuchtturm unvermittelt mit einer Mülltonne.
Das verrostete Wanderzeichen aus dem Norden taucht hier auch wieder auf. Ha! Ein klares Zeichen dafür, dass es einen Küstenweg von Nord nach Süd gegeben haben muss. Ein S ziert es hier noch. Gleich mal recherchieren, was das bedeutet... und ich werde endlich detaillierter fündig. Es gibt zwei bereits existierende Teile eines geplanten GR 135: N für Costa Noroeste und S für Costa Sureste. Und endlich finde ich auch mal Etappenbeschreibungen. Selbstzufrieden stelle ich fest, dass ich fast die selben Etappenziele ermittelt habe. Es gibt sogar ein Zertifikat?!? Hmmm... wohl nicht (mehr). Ein wanderwegarchäologisches Geheimnis ist somit gelüftet. Freu!! Weiter geht's.
Hmm.... an Fremdplantschen ist aber micht zu denken. Alle Anlagen am Strand sind umzäunt. Die Küste selbst ist felsig. Angler versuchen ihr Glück. Zwei Models posieren für etwas, das sie hochhalten sollen. Na mal schauen, wie man hier so brät. Manche Anlagen sind schön anzusehen, einige wurden aber auch geschlossen und sind mit einer gelblichen Staubpatina überzogen. Vergilbte Abstandsschildchen kleben noch an den umgefallenen Sonnenschirmchen. Da war Corona wohl am Werk. Ich bin ein bisschen enttäuscht und schaue zum Montaña Roja... Ach weißte, warum nicht.
Eine Stunde später stehe ich auf dem Kraterrand und kann Playa Blaca in seiner Gesamtausdehung von 8 Kilometern überblicken. Hier oben ist alles vertraut staubig. Der Ort unter mir dröhnt leise vor sich hin. 10.000 Leute unten. Einer hier oben. Das scheint mir ein repräsentatives Verhältnis zu Bade- und Wanderurlaubern zu sein. In der Ferne sieht man die gewaltigen Dünen von Corralejo auf Fuerteventura und sogar das einsame Strandhotel ist erkennbar. Tja, dort oben bin ich vor fast 2 Jahren gen Süden gestartet.
Unter mir erstreckt sich die durchgeplante Anlagen-Urbanisación. Sim City in Reinform. Von wegen der Ort sollte ursprünglich gehalten werden. Der eigentliche Ort ist gar nicht auszumachen. Mit Blick nach Norden kann ich sogar El Golfo ausmachen. Direkt vor mir, das muss die Anlage sein, in der wir damals waren, als über die hälfte der Bauten noch nicht existierte. Zwischen zwei Fünf-Sterne-Anlagen liegt ein älteres Gebäude herum, in dem es damals Restaurants gab. Heute auch: ein Grieche. Höhö.
Der Krater selbst ist... naja auch ganz nett. Nicht so außerirdisch anmutig wie die anderen. Leute haben mit Steinen ihre Namen in den Krater gelegt. Das wirkt wie Graffiti. So, dann kann ich ja jetzt wieder abstiegen und die Promenade weiter bis zur Unterkunft gehen. Ich bin fast am Hafen, als die Anlagenszenerie ein plötzliches Ende findet: Tingeltangelbob ruft in abgeranzten Strandbauten auf zur billigen Unterhaltung. Die Soundkulisse gleicht einem Jahrmarkt und es wird ausgesprochen britisch. Popeye's Sportsbar. Beer: €1,50. Und da kommen auch die Teller-voll-toll-Chinabuffets wieder. Man könnte meinen, Briten mögen's billig. Abseits der Touristenmagneten hat mir die Insel aber eindrucksvoll bewiesen, dass man es nicht verallgemeinern kann. 1 zu 10.000.
Hinter dem Hafen beginnt der Ort und es wird auch irgendwie ursprünglich. Und da! Daaaaa! Ja was denn? Ja daaa! Nimm mal die Lupe hier! Da isser: Playa Blanca! Oh Gott, der Arme. Der Strand ist tatsächlich weiß, liegt von der Promenade eingepfercht am Hafen und misst eine Gesamtausdehnung von 270 Metern. Er wird von zwei Mauern gefangen gehalten, damit er auch bloß nicht wegschwimmt, während die Olsen-Expressfähre bei der Ankunft regelmäßig eine gewaltige Welle über die Promenadenmauer direkt vor die Füße der hochschreckenden Restaurantbesucher prescht.
Warum gerade dieser Ort in den letzten zwei Dekaden so einen Boom erfahren hat, erschließt sich mich nicht im Ansatz. Dann doch lieber die 35 Minuten nach Corralejo rüberschippern und unendlich viel Strand haben.
Dennoch ein für mich bemerkenswerter Fleck, weil hier auch der GR 131 nach 5 Etappen endet. Mein heutiges Etablissement versteckt sich direkt oberhalb des Strands in einer kleinen Gasse und ist nur durch eine kleine Tür erkennbar, über der mit Kacheln der Name steht. Der altbekannte Schlüsselkasten mit Zahlenkombi spuckt meinen Schlüssel aus. Hinter der Tür verbirgt sich ein wahres Raumwunder mit Balkon und Blick aufs Meer und die Mini-Kirche des Orts... also im Vergleich zu 8 Kilometern Ausdehnung ist das Ding, wie auch der namensgebende Stand, winzig. Pah. Ungläubige Touristen. Wie wohl der Ort aussieht, wenn das alles mal vorbei ist? Kann man sich das überhaupt vorstellen, dass das hier alles mal ein Ende haben könnte?