Circular de Lanzarote

05.09.2021 La Graciosa

  

Mein Wecker klingelt um 8 Uhr. Mein Zimmer hat tatsächlich kein richtiges Fenster, nur eins in den Hausflur. Also bekomme ich das Licht kaum mit. Wie kann man nur diese fensterlosen Zimmer wollen. Aber gut, es geht los. Um 8:30 Uhr nehme ich die erste Fähre in Richtung La Graciosa. Es ist noch diesig und die Klippen von Famara werden von den Wolken über den Kopf gestreichelt. Eine kleine Fahrt um die "lange Anna" von Lanzarote herum, dem ultimativ nördlichsten Punkt der Insel mit letztem Leuchtfeuer namens Punta Fariones, dann sind wir auch schon in Sichtweite des Ortes Caleta del Sebo.
Ein total niedlicher, oasenähnlicher Ort, in dem die Straßen einfach aus Sand bestehen. Noch ist er verschlafen. Die Bars werden aufgebaut, Mountain Bike Verleihe fetten ihre Räder und mich zieht's gleich weiter in die Insel hinein. Natürlich behandle ich das Eiland gleichwertig zu den Kanaren und eröffne hiermit hochoffiziell den Inselrundweg GR 136, Circular de La Graciosa! Das manifestiere ich dann auch am besten gleich bei Komoot, es geht viral und dann guckt die Inselregierung aber blöd.
Also: es geht erstmal direkt nach Norden. Denn am ulrimativ nördlichsten Punkt meiner diesjährigen Reise sollen zwei Epic Shores sein, die man nicht outmissen darf. Die Insel ist ansich fast komplett mit weißem Sand überzogen, aus denen vereinzelte Vulkankuchen herausgucken wie Germknödel aus Vanillesoße. Den Größten gilt es zu umrunden. Es ist absolut still hier. Kein Wind, kein Motor, nur kurz das Bimmelbimm der ablegenden Fähre vom Weiten. Um "Inland" gibt es tatsächlich vereinzelte, kleine Kakteenfarmen. Wo die das Wasser herholen möchte ich mal wissen. Auf dem Weg nach Norden kommen Safarigeländewagen an mir vorbei mit Pärchen drin. Alle wollen den Incredible Beach sehen, aber hinlaufen... Selbst Fahrrader kommen nur drei vorbei. Also crowded kann ich das grad nicht nennen. An besagter Shore angekommen, brennen mir die Augen vor Weiß. Das ist man ja gar nicht gewöhnt hier. Ich werde quasi von oben und unten geröstet, jetzt, wo die Diesigkeit die Sonne langsam preisgibt.
Also der Anblick von Playa de la Lambra ist ziemlich epic. Niemand da, türkises Meer, das nenne ich durchaus mal Hidaway. Rucksack fallen lassen, ab in die Wellen, in den Sand fallen lassen, rumliegen. Herrlich... Aber wo ist die Safari hingefahren? Ein Blick auf Orux zeigt die zweite Shore im Nordwesten, Playa de Las Conchas. Da sind alle? Also Rucksack auf und losziehen.
Der zweite Strand lässt mich dann doch staunen. So ein richtig kitschig epischer Strand mit Blick auf noch einen vorgelagerten Felsen namens Montaña Clara. Die Wasserfarbe macht so einen Durst. Ich muss was trinken und das Panorama aufsaugen. Ein paar wenige Leute verteilen sich, springen ins Wasser, springen wieder raus, legen sich in den Sand, um dann wieder von vorn zu beginnen. Ich tue es ihnen gleich. Das Wasser ist kristallklar und wird sofort tief. Ich könnte hier ewig rumblubbern...
Nach 2 Srunden überkommt mich dann doch der Drang, den Rundweg zu beenden und die Fähre zurück zu nehmen, es liegen schließlich noch 10 Kilometer auf Lanzarote selbst vor mir in Richtung Süden. Zurück geht's über eine. Bau befindliche betonierte Straße. Ich fürchte, man hat hier auf Dauer was Größeres geplant. Ich hoffe nur die Straße und maximal ne Eisbude und kein Five Star exclusive Resort an der Noch-Epic-Shore.
Verstaubt komme ich wieder im jetzt doch crowdigen Ort an. Alle essen Mittag in den vielen Gassenrestaurants. Das Hafenbecken iat gleichzeitig Dorfstrand und ich glänze wieder. 15 Uhr kommt die Fähre, diesmal ein Katamaran, 15:30 bin ich wieder in Orzola. Ich entscheide mich in Anbetracht der Zeit den GR 131 bis zu meinem heutigen Zielort Máguez zu gehen. Erführt hinauf ins Inland auf eine Hochebene voller Wein-, Kakteen- und Aloe-Feldern. Wieder so ein Aloe Museum mit einem Wortspiel als Namen, das nur von den Neologismen der deutschen Friseure getoppt werden kann: Lanzaloe!... hust. Gratis Eintritt juchu. Ohne mich. Vor mir baut sich indes der Montaña Corona auf. Ich würde so gerne oben in den Krater schauen, leider ist der vermeintliche Wanderweg auf Topomaps nicht viel mehr als ein Überbleibsel, das zu einem nicht ungefährlichen Geröllfeld mutiert ist, auf dem ich schließlich auf allen Vieren wieder absteige. Und das um mittlerweile 19 Uhr. Nee du, lass mal. Ein Krater wird ja noch kommen.
Braun bestäubt von meiner Rutschpartie komme ich an meiner Unterkunft Fleur de Loto an. Wieder britisch geführt, ich habe schon seit gestern mehrere Einweisungsemails von der Besitzerin erhalten, was und wie und wo. Sie könne mich bedauerlicherweise nicht einweisen. Der Schlüssel hängt ich einem Safe mit Zahlenkombi. Da ist sie wieder, die britische Mündigkeitsallergie. Das Haus selbst ist echt schön. Man hat mir Bananen, Kekse, Wasser und ne Makse hingelegt. Dazu eine Welcome-Mappe und eine Covid-Mappe voll mit Regeln. Booking.com Score 9,7. Darauf ist man stolz. Ich blättere den Anweisungsroman nach der einzigen Info durch, die ich brauche: den Wifi-Code, danach gehe ich direkt ins Bett. Briten sind ja schon ein bisschen anstrengend auf ihre zuvorkommende Weise. Morgen sehe ich die Besitzerin ja. Na mal schauen. Hmm... Lanzarote scheint ja echt in britischer Hand zu sein.
Den Strand hätte ich am liebsten eingesteckt. Es bleiben die Fotos... am besten im künstlerischen Geiste César Manriques untermalt mit passendem Trance-Kitsch der 90er und Delfingeschnattere, begleitet von Clannads Singelfe Moya Brennan für ein noch intensiveres Gefühl der türkisen Freiheit, als es die Realität je bieten könnte. Das Schlimme daran: es funktioniert sogar... oder? Oder?? Check it out: