Camino Real de La Palma

12.09.2020 End of track

  

Ich hänge so rum, schau mir im Fernsehen auf ZDFinfo das Neueste von unserem Sonnensystem mit Morgan Freeman an und frühstücke dabei Toast mit selbstgemachter Feigenmarmelade von Markus Frau Andrea. Ich soll dringend Feigen essen, sagt sie. Die werden schon Schnaps am Baum! Das mache ich. Gegen 11 Uhr klopft Markus. "Bist du noch daahaaa?" Offensichtlich. War tatsächlich gerade auf dem Sprung. Markus fängt an, seinen Lavagarten zu gießen. Wir kommen ins Gespräch... und bis 13 Uhr nicht mehr heraus. Kein Wunder, dass der Kerl mir gestern schon sympatisch war. Es stellt sich heraus, dass wir beide unverbesserliche Star-Trek-Fans sind, alle Serien auswendig kennen, sehr ähnliche Weltansichten haben und die gute Musik hören. Sigur Rós ist eine Schnittstelle. Er erzählt, wie er mit seiner Frau das Haus hier gekauft hat... es wäre so günstig, das hier zu tun. In Formentera bekommt man dafür allenfalls 'ne Zweiraumwohnung. Auf La Palma ändert sich so herrlich wenig und es hätte daher Potential für ein langfristiges Zuhause. Ein Gedanke führt zum nächsten, man kann nur schlecht weiter an Garten bewässern denken. Daher gesellt sich Andrea auch irgendwann hinzu und wir drei stellen fest, dass wir im Grunde unserer Herzen eigentlich Optimisten sind. Hmm... das war mir nie so bewusst. Mir gefällt der Gedanke, die Welt grundweg positiv zu betrachten. Wir tauschen erstmal Musikempfehlungen aus. "Sleeping at last" soll ich mir unbedingt anhören. "Total kitschig, aber geil." Danach "Radical Face" zusammen mit einem Amateurvideo von La Palma, bei dem man glauben könnte, es wäre professionell produziert. Na das behalte ich mir alles für morgen auf jeden Fall vor. Jetzt muss ich aber wirklich los. 12 Kilometer sind's immerhin noch.
Ich hab auch heute keine Lust mehr auf Schuhwerk und bleibe weitestgehend auf der Landstraße. Der Weg kreuzt mal hin, mal her. Was soll ich da noch mitgehen. Oooh, noch mehr Kakteen mit Vorstadtkulisse und Landebahnpanorama? Nee, lass' mal. Santa Cruz rückt näher und näher. Was tatsächlich schön ist, ist die Altstadt, die sich langsam den Berghang hinabzieht, bis ich nach vielen verwinkelten Gassen plötzlich wieder auf dem Kirchplatz an der Einkaufsstraße stehe, wo ich am 01.09. gestartet bin. Der Kreis schließt sich nach 200 Kilometern, 12.000 Höhenmetern aufwärts und 13.000 abwärts. Auch der GR130 ist damit vollendet. Statt einem Empfangskomitee erwartet mich ein nahezu ausgestorbener Kirchplatz. Keiner hier. Zwei drei Leute huschen maskiert vorbei. Ist heute irgendein Festivo, von dem ich wissen sollte? Ich gehe zum Strand. Hier sitzen dann doch ein paar und schlürfen Kaffee. Der Strand selbst ist nahezu menschenleer. Bemerkenswert. Es ist zwar bewölkt, aber der Sand ist fast zu heiß für barfuß. Ich laufe hinunter, ziehe die Klamotten aus und beende offiziell den Rundweg mit einem Sprung ins schwarze Wasser. Ja, da bin ich nun. Drei Leute am Strand. Ein Pärchen und eine Frau oben ohne, die offensichtlich auch wandert in Anbetracht ihres Rucksacks. Sie zieht die Blicke der Kaffeebesucher auf sich. Scheint in Zeiten der Maskierung was Exotisches zu sein... der Rucksack. Ich dusche ausgiebig an der Stranddusche und wechsel meinen Kleidungsstil von Wilderness auf City, um nach der Linie 100 in Richting Barlovento Ausschau zu halten. Beim örtlichen McDonald's am Hafen werde ich fündig, sitze wenig später für gnadenlose 2,60€ im Bus, der diesmal im Fast-Forward-Modus innerhalb einer Stunde die beiden ersten Etappen vorbeirauschen lässt. Das ist erst eine Woche her. Im stetigen Zulauf neuer Eindrücke ist das Gefühl ein ganz anderes. Heute Abend muss ich studieren, wie ich meinen Danach-Urlaub jetzt verbringen kann. Was kenne ich noch nicht...
Kurz vor acht sitze ich wieder im La Palma Romántica, gleiches Zimmer. Ich schaue auf meinen Bauch... Naja, nur noch ein Teil von mir sitzt hier.