GR131 2019 Fuerteventura

03.11.2019 Tefía

  

Ich werde wach und es ist dunkel. Uhrzeit 7 Uhr. Mir schwant was. Bei Google "Zeit La Oliva" eingeben... Na klar. Ich lebe seit 3 Tagen schon wieder eine Stunde voraus, ohne was zu merken. Das Handy aktualisiert die Ortszeit nicht. Puuuh, das heißt, es gibt erst in 2 Stunden Frühstück. Zeit fûr spanischen Disneychannel... Natürlich läuft immer noch Lady Bug. Die letzte halbe Stunde in den Pool, dann gibt's Frühstück. Am Nebentisch sitzt wieder das Mädchen mit ihrem Vater. Beide in ihr Handy vertieft. Während ich dort sitze legen sie es nur weg, wenn neues Essen geholt wird. Essen mit der Rechten, Wischen mit der Linken. Zwei drei spärliche Sätze miteinander, dann wieder jeder für sich.
Sie brechen auf, ich breche auf. 20km stehen heute bis Tefía an. Ich hab immer noch La Gomera im Kopf und kündige meine Ankunft im heutigen Ziel Villa Cecilio vorsichtshalber mit 17 Uhr an.
Tse... 7 Stunden für 20km, wie vorsichtig bin ich denn geworden... Es geht in die Wüste. La Oliva liegt hinter mir, vor mir eine recht monotone Landschaft aus Sand, Stein und Vulkanspitzen, die vor Millionen Jahren erkaltet sein müssen. Mit La Gomera nicht im Ansatz vergleichbar. Ich komme schnell voran, es ist bewölkt und nieselt sogar manchmal. Aber so richtig inspirierend wirds nicht. Ich passiere einen monumental in der Landschaft stehenden Buckel, an dessen Flanke ein Monument gezimmert wurde. Monumento a Unamono, lese ich auf einem wettergegerbten Schild. Hm. Das wars in Punkto Highlights. 3 Stunden früher als geplant erreiche ich Tefía. Ein paar Betonwürfel auf einer Ebene. Weit abseits davon ein paar Selbstverwirklichungsträume und meine Unterkunft. Wieder ein Privathaus, das in Punkto Stil aber meinem gestrigen Ziel in nichts nachsteht. Ich bin allein hier. Eine Frau macht mir auf. Sie kann nur Spanisch, aber wir kommen klar. Hmmm... Heute Abend wird für mich mitgekocht. Pasta solls geben. Aber heute Abend dauert noch. Ich sitze auf dem Bett und schaue raus auf eine kanarische Windmühle. Könnte ich ja morgen mal zeichnen. Hab Lust drauf. Aber nicht heute. Heute wirds "Mädchen mit Handy". Das gab mir auf der öden Strecke heute mit Blick auf Leander zu denken. Ich glaube nicht, dass ich verbissen bin im Umgang mit dem Thema. Aber ich fand die Exzessivität der Nutzung von Vater und Tochter bemerkenswert. Warum ist man eigentlich dafür nach Fuerteventura geflogen? Oder sind das heute die sogenannten Leseratten, die man zu meiner Zeit nicht von Büchern wegbekam? Ich glaube nicht. Ich denke, es ist ein mittlerweile normal gewordenes Unvermögen mit Freizeit umgehen zu können. Ich merke das oft an mir selbst. Freie Zeit. Klar, kann ich sie mit Spielchen, Videos und Bildchen verdaddeln. Ich merke selbst, wie offline sein langsam zur Herausforderung wird. Der Unterschied ist, dass Nachher wie Vorher ist. Man ist nach dem Daddeln keinen Schritt weiter gekommen. Und entspannter? Naja, kommt aufs Wlan und die kreisenden Eieruhren an. Ich möchte das so nicht. Klar, das Gerät konsolidiert mittlerweile dutzende Funktionen, für die es vorher andere Geräte und Medien gab. Aber man kann auch zu leicht jeden Zeitraum für neue Ideen und Kreativität verdaddeln. Nun bin ich aber auch mit Daddeln groß geworden. Wo ist der Unterschied? Ich kann doch nicht den ganzen Tag vor Leander so tun als gäbe es Smartphones nicht, als bräuchte man sie nicht in einer Informationsgesellschaft. Ich frag mich, wie das richtige Maß zu messen ist. Stunden am Bildschirm, Art der Nutzung, Notwendigkeit in der Gesellschaft oder doch gegen die Gesellschaft... Das Mädchen am Nebentisch stimmt mich aber traurig. Es wirkt wie verlorene Zeit. Sollte das Mädchen hier nicht tatsächlich den Pool in Beschlag nehmen, malen, Geckos jagen oder wenigstens nicht so Frühstücken, als.wäre der Linke arm amputiert?