Circular de Gran Canaria

26.05.2023 Las Palmas

  

In der Nacht liege ich in meinem mit Blüten drapierten Bett und starre gegenüber auf das ebenfalls starrende Gesicht von Frida Kahlo auf einem Kissen auf einer Sitzgelegenheit für Zwerge. Kunst und Kultur kam kurz dieses Jahr, atelle ich fest. Da war nicht so viel auf meinem Weg abseits der Street Art. Hmmm... wann geht mein Flug morgen? Halb 7. Ich muss noch einchecken. Darf ich nicht vergessen, weiß ich seit Brighton, sonst teuer. Da hab ich ja noch den ganzen Tag Zeit....... da hab ich ja wirklich einen ganzen Tag Zeit!
Um 9 Uhr nehme ich spontan den Bus nach Las Palmas. Die Zeit kann man besser nutzen, als ums Flugplatzgelände zu laufen und angeschwitzt im Terminal zu gammeln. 5 Stunden hab ich etwa. Na dann lerne ich mal die wichtigste Hauptstadt der Kanaren im Zeitraffer kennen. 10 Uhr stehe ich an der Estación de Guagua inmitten der Stadt. Die Läden machen gerade auf. Was kann man denn so machen? Erstmal zur Kathedrale, das geht immer und damn schau ich weiter. Es geht entlang einer typischen Einkaufszone mit den ewig langweiligen Klamottenboutiquen und Andenkenläden, in denen es Kanarenklamauk zu kaufen gibt. Es gibt aber in einer Seitengasse auch einen Shop für Kanarienvögel. Hmm... kommen die durch den Zoll oder per Post? Der Plaza de Santa Ana vor der gleichnamigen Kathedrale ist leer. Ein kleiner Markt wird aufgebaut. Ersrmal ein Ich-wandere-wie-selbstverständlich-auf-die-Kamera-zu-Selfie machen. Ich mache dafür immer ein Video, dann habe ich 30 Bilder pro Sekunde, um mir das Schönste auszusuchen und das Ganze nicht 20 mal zu wiederholen, weil gerade die Visage doof aussieht oder die Augen zu sind. Schlau, ne?! Ich könnte ja auch Passanten ansprechen. Mache ich aber nur, wenn ich den Knips:innen zutraue den Horizont in der Waagerechte zu halten und den Kopf nicht als Bildmittelpunkt zu begreifen. Ästhetik nuss sein und heute ist Kultur angesagt. Also, was als Nächstes? Mein Blick fällt auf einen Wegweiser: "Casa Colón", Kolumbushaus. 300 Meter im Zickzack um die Kathedrale herum. Nehme ich. 3 Minuten und 4 Euro später bestaune ich die Geschichte der Amerikareisen Nummer Eins von 1492, Nr. Zwei, Drei und Vier. Betrachte alte Landkartenoriginale aus der Zeit, wo nichts stimmt außer die Dimensionen von Europa und schaue mir Bilder einer Gemäldeausstellung kanarischer Kunat im Obergeschoss an. Der Roque Nublo ist auffällig häufig das Objekt der Wahl für den Hintergrund, vor 200 Jahren genauso wie heute. Eine Schulklasse wird mit viel "Schschschschschsch!" der Lehrerinnen an mir vorbei geleitet, Die stetigen, zischenden Ermahnungen sind Lauter als jedes Geräusch, das die Schulbande von sich gibt. Viele von Ihnen tragen traditionelle, trachtenähnliche Kleidung, die Mädchen lange Röcke, die Jungen Weste und eine rote Fransenschärpe. Man muss ordentlich aussehen beim Besuch in der Hauptstadt, sagt Mama... vielleicht.
Weiter geht's, die Kathedrale hat jetzt für Besucher geöffnet, nachdem die Messe vorbei ist. 5 Minuten und 6 Euro später stehe ich zwischen den Zwillingstürmen und schaue auf das massige Häusergewürfel Las Palmas auf den gegenüber liegenden Berghängen. In der Bucht liegen Frachtschiffe hintereinander vor Anker und warten wie an einer Kassenschlange auf Einlass in den Kontainerhafen, immer einer nach dem anderen. Vom Weiten kommt die tägliche Wolkenfront langsam heran. Ab 15 Uhr wechselt immer das Wetter von blau zu grau, seit ich die Küste erreicht habe, wobei es jeden Abend etwas grauer wird. Heute wird es aber sehr grau da hinten... nana, jetzt noch nicht!
Ich besichtige die Kathedrale und das zugehörige, sakrale Museum. Es ist langweilig. Eine Chronik aller kanarischen Kirchenoberhäupte von Anno irgendwann bis heute. Spannend werden die Ölportraits eigentlich erst ab dem 20. Jahrhundert. Bilder von Alberto Manrique stechen deutlich hervor. der Kirchenregent bis 2005 hat sich von ihm malen lassen. Es ist bunt und voller Symbolik mehr ist als eine betende Haltung oder den Finger, eingeklemmt in einer Bibel. Allein dadurch wird die Person interessant. Aber das kann auch Marketing sein. Eine Bibliothek voller alter Bücher fällt ins Auge. Mich wundert, dass die Schriften nicht klimageschützt aufbewahrt werden. Naja, aber vielleicht tut es das hiesige Klima auf natürlichem Wege, so trocken, wie es ist.
Um halb Zwei stehe ich wieder auf den Straßen. Unnd nun? Auf einem Plakat glotzen mich eine Horde Totenschädel an. Dameben eine Fruchtbarkeitsstatuette. Ich bin irritiert. Museo Canario steht daneben. Na dann michts wie hin und den Widerspruch aufklären. 5 Minuten und 5 Euro später stehe ich in ehrwürdigen Räumlichkeiten des 19. Jahrhunderts und betrachte dann doch schließlich die Urgeschichte der Insel, erfahre etwas über die Höhlenbewohner, sehe Exponate des Alltagslebens aus Ton, Bast hnd Leder. Nur die Fruchtbarkeit ist leider auf Reisen. Schade. Einen Höher gehts tiefer. Ich befinde mich in einem Raum voller ausgegrabener Mumien und Skelette... und Schädel, Schädel, Schädel und nochmal Schädel. Alles voller Schädel. Inmitten dessen ein Portrait ses ersten Vorstands dieses Museums vor 120 Jahren. Ein WLAN-Audioguide auf dem Handy erklärt mir, dass der Mensch Rassenstudien daran durchgeführt hat, mit dem rückwirkend ebenso widersprüchlichen Ergebnis wie im dritten Reich. Das wurde nix, abgesehen von einer beeindruckenden Schädelgeisterbahn.
Es wird halb drei. Viel kann ich nicht mehr machen und ein Hüngerchen zieht mich in eine Kneipenmeile, in dennen die Restauranttische die Mitte der Gassem säumen. Ich lasse mich irgendwo nieder und bestelle einfach das brutzelnde Gericht vom Nachbartisch: Krabben mit Knoblauch. Perfekt. Ne Stunde schau ich so in der Gegend herum und habe das Bedürfnis nach Hause zu fliegen. Es ist gut so, wie es ist und die Reise führte nicht zu einer Schmerztherapie der besonderen Art. Gefällt mir Gran Canaria? Soy wie ich es bereist habe, ja. Aber ich glaube nicht, dass ich die Insel in absehbarer Zeit wiedersehe, aonlange Inseln wie La Palma der La Gomera nicht von einem Tsunami verschluckt wurden. Noch schnell ein Bild von der Hafenpromenade. Ceser war natürlich auch hier... und ab zur Busstation.
Auf dem Weg mit dem Bus zum Flughafen um halb vier geraten wir in einen Stau auf der Autobahn. Stau auf den Kanaren? Sowas gibt's? Zehn Minuten später weiß ich warum. Zur Feier meines Abschieds wird der Himmel tiefgrau und es schüttet auf einen Schlag wie aus Kübeln. Binnen weniger Minuten füllen sich die eigentlich leeren Barrancos mit brauner Brühe, die rasendschnell zum Meer sterbt. Ein solcher Regenguss stellt die Infrastruktur auf eine harte Probe. Wasserfälle ergießen sich zwischen Bäumen hindurch auf die Straßen und stellen alles unter Wasser. Die Orte sind durch Beton schlicht versiegelt. Das rächt sich in solchen Momenten.
Am Flughafen angekommen ist der Spuk schon wieder vorbei und ich wate durch knöcheltiefe Pfützen zum Terminal und hinterlasse so meine Spuren bis zur Bombenkontrolle. Videotelefonie mit Leander. Er braucht mich jetzt nicht mehr vermissen und hat das ganz dolle, sagt er mir und hält sein neues Regenbogenshampoo in die Kamera. aich gehe zum Fester, mein Flugzeug zeigen. Und nochmal. Und natürlich nochmal. Und ein allallallallallaallalaaller letztes Mal! Und jetzt auf nach Köln. Ein Airporthotel erwartet mich. Ohne Sauna! Frechheit.