14.09.2021 Spider-Man | ᐸ ᐳ ᐱ |
Und nu? Hm... da ist ein Ort namens Nazaret. Ich fahre nur hin, weil der Orr so heißt. Statt Jesus entdecke ich das Lagomar, das Ferienhaus von Omar Sharif. Leider geschlossen. Schade, da wäre doch wieder so ein heftig türkiser Pool drin gewesen. Also geht's weiter zur ehemaligen Inselhauptstadt Teguise. Sehr pittoresque mit dem Zwiebelturmkirchlein und dem Marktplatz, das von patschuli riechenden Art- und Nature Shops umgeben ist. Ich gehe mal in einen rein. Dachte ichs mir doch. Fernost-Ethno-Kram, den es auf jedem Weihnachtsmarkt genauso gibt. Kunst ist das nicht. Der Rest des Orts ist halt Ort... mit weißem Beton und grünen Fenstern as usual, also weiter. Einmal quer über den Kamm auf die Ostseite und schon bin ich beim Jardin de Cactus. Hier war ich vor 25 Jahren auch. Es ist mit die letzte Atteaktion, die Manrique vor seinem Tod noch ersonnen hat. Damals war es gerade eröffnet worden. Alle Kakteen waren ganz klein. Das hat sich sehr geändert und ich muss sagen, es ist die bisher eindrucksvollste Kreation des Künstlers und durch und durch stimmig. Tolle Pflanzen kann man in diesem ovalen Hitzekessel bestaunen. Über eine Stunde lichte ich viele spannende Gewächse ab, bis ich schweißnass weiter fahre, denn zum Mirador del Rio ist es von hier jetzt auch nicht mehr weit. Zack, stehe ich wieder vor einem Manrique-Monument, das für ne schmale Mark einen wirklich wirklich beeindruckenden Blick auf ganz La Graciosa und die Famara-Steilküste samt abgerundeter Skybar liefert.
Damals haben wir ein paar Meter daneben geparkt, um uns den Eintritt zu sparen. Aber der Mirador klebt halt direkt auf dem Abgrund und es ist eine andere Nummer. Ein bisschen wehmütig werde ich, als ich den tropischen Strand auf der gegenüberliegenden Seite des Inselchens erspähen kann. Der ist unübertroffen. Trotzdem parke ich auch danach ein paar Meter daneben, um meiner eigenen Version von damals einen aktuellen Stand zu verselfien.Es ist halb 5 und mich zieht es zurück ins Hotel, noch einmal ins Saunaraumschiff gehen und ich würfle mich zurück in Richtung Arrecife an schräg klingenden Orten vorbei... Ye... Soo... Uga...
Heute Abend môchte ich eigentlich nochmal Fisch essen gehen, aber bestimmt nicht in Puerto del Carmen. Dank meines Würfels fahre ich also zurück ins verschlafene Playa Quemeda zum El Pescador von gestern, bestelle den Fisch des Tages und den Pilzeintopf und beobachte, wie die Sonne hinter den Bergen verschwindet und der Himmel zum Regenbogen wird.
Volll mit Fisch im Bauch, ziehe ich mich aus und gehe neben dem Restaurant ins Meer und schwimme in die schwarze Salzsuppe zu den ankernden Booten hinaus. Der erste ruhige Moment heute und ich fange während des rumpaddelns an rumzudenken. Der Tag hinterlässt einen erschlagenden Eindruck. In 9 Stunden habe ich mit 200 Kilometern die selbe Distanz mit dem Auto zurück gelegt wie zu Fuß in zwei Wochen. Das Erlebte beschränkt sich auf Selfies und Hot-Spot-Bilder und ist im eigentlichen Sinne keine selbst erlebte Erfahrung, sondern eine Inszenierung, für die Manrique als maßgeblicher Einfluss lukrativ gefeiert wird. Um ehrlich zu sein habe ich das Gefühl, die ganze Insel ist dieser Inszenierung ein Stück weit zum Opfer gefallen. Man hat ihm damals weitreichenden Gesttungsspielraum gestattet, was in meinen Augen dazu führte, dass eine Insel entstand, die den Tourismus als Ersatzursprünglichkeit für sich proklamiert hat. "Planet Risa". Fehlt nur noch ein Wetterkontrollsystem im Orbit. Aber mir gefällt dennoch als Kunstobjekt ansich bettachtet ein Großteil dessen, was Manrique sich so ausgedacht hat. Es hat eine unverkennbare Ästhetik.
Ich hatte eigentlich nur mit Leuten zu tun, für die die Insel zur Wahlheimat wurde. Ein Großteil der Einheimischen arbeitet in den Touristenorten und lebt im Inland. In weiteren 50 Jahren wird man "Ursprünglichkeit" wieder neu definieren müssen. Ob es das dann alles immer noch so gibt? Immerhin: der Billig-Brite wird langsam verdrängt. La Gomera, La Palma und selbst Fuerteventura erschienen mir gelassener und echter. Aber was heißt schon echt. Das hier ist ja eigentlich echt. Es ist der heutige Zeitgeist, über den in 200 Jahren auch geurteilt werden wird, wohingegen romantische Ölgemälde von Billig-Promenaden und Bettenburgen wohl keine Restaurants mit Namen wie "Zum schlendernden Touristen" schmücken werden. Es bleibt wohl eher das stereotype Bild des arbeitenden Pescadors, barfuß mit Hut, kniend vor seinen Netzen neben seinem Holzboot am Strand.
Als es dunkel wird, fahre ich zurück und schaue einmal beim Rollfeld den Fliegern beim Starten zu. Morgen bin ich da auch schon drin und dann ist dieser 15 Tage lange Tag zu Ende. Immer wieder stelle ich fest, wie diese Art des Wanderns die Tagesgrenzen verschmelzen lässt. Das waren keine zwei Wochen, das war ein 360 Stunden langer, trockener und heißer Tag mit hitzigem Abschluss. Und ich lege den Schlüssel an der Rezeption auf dem Tisch.
