Todos los colores brillan alrededor del
Camino de Los Alto

19.06.2022 Potsdam

  

Heute werden es 37 Grad. Wir frühstücken schon in der Hitze und setzen uns ans Wasser, bis Frances gegen halb Eins aufbricht zur Oma nach Apolda, die die zwei Tage auf Leander aufgepasst hat. Ich beschließe bei dem Wetter tatsächlich vom Hotel aus nach Potsdam zu machen. Was soll ich bei der Hitze in Berlin? Muss an Peter Fox Lied „Fieber“ denken. Heute passt es in der Innenstadt sicherlich hervorragend.

Es führt ein Weg immer am der Havel entlang durch den Wald, bis nach Potsdam hinein. Das verspricht Schatten, Natur, Wasser und sogar Kultur, was will man mehr? Ich habe keine Probleme mit Hitze, dagegen kann man sich ausziehen. Es ist irgendwie eine Verlängerung des GR 133 in ebenwürdigem Klima. Ganz Berlin zieht es hier hin, um sich auszuziehen. Den ganzen Weg entlang hat kaum einer mehr an als Badekleidung. Jedes Loch an der Havel bis hinunter zum Wannsee wird von Familien genutzt. Bis auf die Fahrradwege liegen die Leute. Naja… das ist halt der Nachteil an schönen Ecken in Metropolen: wenn es schön ist, sind wirklich ALLE da. Aber es ist eine gelassene Stimmung und die Leute sind irgendwie grundfreundlich zueinander.
Irgendwann erreiche ich die Königsstraße bzw. B1 bei Wannsee. Jetzt weiß ich, was der Wannsee ist, der früher mal eine Grenze war. Irgendwie hatte der See für mich bis dato immer eine Art mystische Aura, etwas Besonderes. Keine genaue Ahnung warum. Die Königsstraße führt weiter zur Glienicker Brücke, dem Grenztor zwischen Ost und West und dramatischer Mittelpunkt einiger Spionenaustausche zwischen Ost und West. Dort wurde ich vor 10 Jahren mal beim Joggen durch eine Wildschweinherde erschreckt, als ich beruflich in Potsdam war. Mich ziehts weiter an den Bahngleisen entlang, am Grab von Heinrich von Kleist vorbei, weiter durch die Wälder bis hin nach Glienicke und in den Babelsberger Park, ein Weltkulturerbe, wie ich erfahre. Vom weiten donnert es, aber hier kommt nichts an. Keiner ist groß im Wald anzutreffen und so hat es schon was Unheimliches an sich. Naja, falls ein Platzregen kommt, nehme ich ihn dankbar an.
Dann kommt der Park und ich stehe schließ vor dem Babelsberger Schloss. Darunter entspringt sogar eine Wasserquelle. Daneben eine Würstchenbude. Oh toll, ich brauche Energie, nach der Sauna. Er hat Zitroneneis, ich setze mich vors Schloss und schlürfe es genüsslich vor mich hin. Auch das Gewitter zieht ab. Potsdam liegt auf der gegenüberliegenden Seite und wird durch die Rotsdamer Havel von mir getrennt. Auch hieriegt alles im Park und badet. Und ich merke, dass ich in Potsdam: FKK ist kein Thema. Der eine macht’s, der andere nicht. Ich finde, die Leute hier gehen echt entspannt mit dem Thema um.
Mich zieht’s weiter zur B2. Ich muss über die Brücke, rüber in die Stadt. Kurz vorher steige auch ich in die Havel. Die Geruchskulisse will ich niemandem gleich im Zug zurück nach Berlin zumuten. Noch ein Schwenk über die Freundschaftsinsel, dann endet meine kleine Naturwanderverlängerung unmittelbar und abrupt direkt vor dem Hauptbahnhof. Das ist perfekt. Was dann kommt, ist eine gnadeose 9-Euro-Verstopfung; Es ist 19 Uhr. Alles, was am Wasser war, will wieder weg. Die Züge haben große Verspätungen, die Menschen quetschen sich hinein wie in Sardinenbüchsen. Ich hätte nicht baden müssen. Egal. Es ist nur ne halbe Stunde. Ich muss zum Alexanderplatz. Meine Unterkunft für die nächsten zwei Tage ist eine privat vermietete Wohnung im Friedrichshain. Der Nachbar lässt mich hinein. Ich dusche ausgiebig.
Immer noch sind es 30 Grad. Ich hab noch Lust. Was mache ich damit? Ein Blick ins Netz führt zu einem Glücksgefühlchen: 600 Meter von meiner Wohnung entfernt ist mitten im Friedrichshain ein Freiluftkino, das um 21:45 sogar einen richtig guten Film bringt! Abend mehr als gerettet, es ist perfekt bei diesem Wetter. Also hin!
Während der Film läuft, sackt die Temperatur gnadenlos um 20 Grad ab. Einige haben damit offensichtlich nicht gerechnet. Ich bin froh, mir beim Einlass Decken mitgenommen zu haben. Es ist voll. Alles ist in gemütliches Dämmerlicht getaucht. Ich setze mich direkt vor die Leinwand in Reihe 3. Ich verstehe nicht, warum man sich hinten hinsetzen sollte. Ich möchte geroße Leinwand im Kino. Ich möchte im Bild versinken können. Es geht um Syrien nach dem IS, ein Dokumentarfilm über eine syrische Polizistin. Es geht in letzter Zeit häufig um Krieg, wenn aktuellen Geschehnisse medial präsentiert und prämiert werdund
Als ich zurück zur Wohnung komme, Versuche ich vergeblich den Schlüssel in die Nachbarwohnung zu stecken, bis die Besitzerin rausguckt, mich sieht, und als ich mich entschuldige die Tür zuknallt und dreimal abschließt.