Todos los colores brillan alrededor del
Camino de Los Alto

16.06.2022 Szenenwechsel

  

Das erste Mal seit Tagen schlafe ich tief durch und werde morgens durch Hahngeschrei geweckt, der durchs Tal hallt. Sonst ist da nur der Wind und Rauschen. Ich bin auf 1000 Meter Höhe und dicke Wolkenklumpen ziehen auf Augenhöhe vorbei. Ich bin erdenklich weit weg vom Flughafen, fast 100 Kilometer. Aber ich habe noch vier Stunden Zeit bis zum Boarding. Und oben auf dem Straßenende steht mein Flitzer am Ende der wirklich hinteetzten Straße dieser Insel mitten im urwaldfeuchten Anaga-Gebirge. Hier ist er also, ich habe diesen moosigen Teil der Kanaren schon vermisst. Ich will mir Zeit nehmen auf der Rückfahrt, während ich die schmale Gebirgsstraße wieder abwärts Kurve. Das Wetter ist wie gestern, feucht, stürmisch, ganz im Gegensatz zum Rest der Insel, wo die Sonne brutzelt. Also, Verdeck herunter und los. Für sowas hier sind solche Wagen gemacht, mit 30 km/h durch unwirkliche Landschaften Kurven, kein anderes Auto kommt vorbei. Das ist hier scheinbar wirklich eine Straße für mich und die zehn Häuser hinter mir im Hochtal. Weiter Abstecher führen zu tief unter mir gelegenen Küstenorten und Stränden, die mit ihren gelben Begrenzungsblöcken aussehen wie Burgmauern. Man sieht auch den großen Industriehafen von Santa Cruz mit darauf zusteuernden Containerschiffen. Dieser Teil ist alleine drei vier Tage zum durchwandern wert, finde ich. Urbane Strukturen sind minimal. Man ist sehr für dich. Den Rest der Insel empfinde ich als voll und übersiedelt, sobald man tiefer als der Corona Forestal kommt. Es ist keine gemütliche Insel wie La Gomera oder La Palma. Ständig fahren Quad-Kolonnen an mir vorbei auf dem Weg zum Big Adventure. Die Küsten… Huch… ich war nicht einmal am Strand, abgesehen vom Weg zum Mietwagen gestern. Und ich habe zumindest hier nichts vermisst. Man kann die Insel gut unterteilen, finde ich: Über der ab 700 Höhenmeter gut sichtbaren Luftschicht, die den Dunst des Tals von der trockenen Luft der Waldgebiete trennt und darunter. Darüber ist Landschaft, die Leute sind herzlicher und gelassener und man kommt besser mit Spanisch als Englisch voran, die Touristen sind individueller, Ibus kosten 1,89 Euro. Unter der Schicht ist es laut, verbaut, stickig, heiß und die Ibus kosten 4,89 Euro. Man weiß offensichtlich genau, was das Zeug bei uns kostet. Zwei Lieblings-Biosphären mache ich für mich aus: den Nationalpark Teide und Anaga.
Um 11 Uhr erreiche ich den Mietwagenparkplatz am Flughafen. Ich habe ausgemacht, ihn gleich hier abzugeben. Es ist das erste Mal, dass ich bislang niemandem im Flughafen meinen Personalausweis zeigen musste. Der Online Check-in macht das gänzlich überflüssig. Aber ich hätte so eigentlich als ganz anderer fliegen können mit meinem Ticket. Das irritiert mich.
Mittlerweile sitze ich in Lissabon und warte im Transitbereich auf meinen Anschlussflug nach Berlin. Was für eine Umstellung, aber der Weg ist noch nicht zuende. Morgen gilt es die nächste Wunderkerze anzuzünden und meinen Nachklang in der Hauptstadt einzuleiten, den ich einfach mal als inoffizielle Fortsetzung des Wegs deklariere. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich das sonst schonmal gemacht hätte für solche Ereignisse und schlussendlich ist zumindest dieses Jahr Dank des Corona-Endspiels alles miteinander verbunden und vermischt, was vorher nicht sein durfte.