Todos los colores brillan alrededor del
Camino de Los Alto

13.06.2022 ...pero no El Teide

  

Und so gewinnt doch schließlich das Schicksal gegen meine Widerstandskraft. Die Nacht ist mal wieder ein heißer Ritt durch die Mannigfaltigkeit der Schmerzreize und die damit verbundene, strategische Frage: wie viel Ibuprophen muss ich nehmen, um lange genug eingeschlafen zu bleiben, damit der Körper so etwas wie Regeneration und das Antivirenprogramm gegen diesen Gehirnfick anstarten kann? 800mg sagt das Pochen im Gaumen, dessen Schwellung sich langsam auf den Rachen erweitert. Und ich schaffe es zu schlafen, bis der Wecker um 7:45 Ihr klingelt.
Ich mache die Augen auf und traue mich nicht zu bewegen. Kein Schmerz, kein Pochen, aber die ballonartige Schwellung. Ich checke mit der Zunge die Zähne, normale Empfindlichkeit. Langsam richte ich mich auf. Kein Pochen. Hmm, nehme ich jetzt ne Sicherheits-Ibu oder lasse ich es drauf ankommen? Sicherheits-Ibu! Soll es denn tatsächlich heute was werden mit dem Genusserlebnisbericht, anstelle der schriftlichen Frustkompensation? Eine SMS trudelt um 7:49 Uhr ein. Die Seilbahn sagt mal Hi und verkündet, dass der Laden geschlossen bleibt wegen zu viel Wind.
Das kann nicht euer Ernst sein. Da besorge ich mir ein ¾ Jahr vorher diese heißbegehrte, ständig ausgebuchte Naturreservats-Bewilligung für den Gipfelaufstieg und jetzt kann ich sie bei eBay als Sammlerrelikt verkloppen. Frustriert geh ich zum Frühstück was Weiches schlürfen. Geb ich mich geschlagen? Was sind die Handlungsalternativen? Morgen raufgehen? Gaumen sagt Nö. Und selbst wenn, wäre ich auf eine Seilbahn abwärts angewiesen, denn ich muss ja auch wieder auf dem hinter dem Parador vorbeilaufenden GR 131 absteigen in den Süden und die Windvorhersage für morgen sagt schlechtere Verhältnisse als heute an. Ich buche trotzdem eine Bahn für morgen früh als letzten Strohhalm. Vielleicht passiert ja ein Wunder.
Und jetzt? Der Tagesplan ist obsolet. Ich packe ein paar Sachen. Dann sag ich eben der Talstation mal guten Tach… und schaue, ob es noch mehr Alternativen gibt. Ein Wanderweg führt durch Lava- und Bimsgestein und viele von Bienen bestäubten Tentakelpflanzen zum Lift. Die Pflanzen sind ein Phänomen. Ich finde sie hochfaszinierend angelegt. Erst sind sie grün, dann blühen sie rosa und ändern ihre Farbe beim Verwelken ins Blaue. Am Ende bleibt ein beiges Fischgrätenskelett übrig, das als Antenne dem Wind standhält und jahrelang anzeigt, hier Ruhe ich. Ich war Mal ein Rosa Tentakel, strebte mein Leben lang der Sonne entgegen und alle Bienen liebten mich. Ich gehe weiter und halte nebenbei einen Beratungsschnack mit meiner Zahnärztin und schaue parallel, ob nicht doch eine Gondel aufseilt. Da stehen so viele Menschen…
An der Seilbahn angekommen begrüßt mich auch mein Pochen wieder. Aber es ist deutlich verdrängbarer als gestern. Ich erfahre, dass meine Bewilligung auch morgen noch gilt. Meine Freude hält sich angesichts der Wettervorhersage in Grenzen. Hoff’n mer mal. Eine Doppelmayr Pendelbahn. Sie ist über 50 Jahre alt. Die Geschichte der Bahn ist abenteuerlich und fast 100 Jahre alt. Es lohnt sich damit zu befassen, wie Andrés de Arroyo y González de Chávez ab 1929 das Projekt über 40 Jahre lang vorantreiben musste, bis die Bahn endlich stand, war er schon nicht mehr da. Es ist zwar nur ne veraltete Bergbahn, die in alpinen Skigebieten als eine von vielen schon lange irgendwelchem Fancy Shice gewichen wäre, aber hier auf Teneriffa war und ist es eine Vision. Eine Vision, die ich gerne von oben über die Insel gehabt hätte. Ich tröste mich damit, dass ich im Flugzeug auf gleicher Höhe eine Extrarunde drehen durfte und drehe wieder um.
In der Bar im Parador frage ich den Keeper nach ein paar cubos de hielo. Eis anstelle von Ibu will ich versuchen. Ich hasse es, das Zeug nehmen zu müssen und vermeide es, wo ich kann. Es funktioniert. Es ist nur noch der flüssigkeitsüberspannte Gaumen, der Schmerzen erzeugt. Der Kopf ist frei. Ich hab sogar Lust was auf Netflix zu gucken. Das gibt mir Hoffnung für morgen.