Todos los colores brillan alrededor del
Camino de Los Alto

07.06.2022 Sphären

  

Ich wache gegen sieben Uhr von selber auf. Die Alltagsroutinen mit der Arbeit und Leander haben dazu geführt, dass es die normale Aufstehzeit geworden ist, ob Wochenende oder nicht. Ich finde das gut, der Tag ist durch lang. In letzter Zeit fühle ich mich sowieso immer gut ausgeruht. Auch jetzt lässt die vermeintliche Anfangsdepression auf sich warten. Ich gehe sogar davon aus, dass sie sich gar nicht einstellen wird wie noch auf den vorherigen Inseln. Auch meine Glieder fühlen sich jungfräulich an. Alle diese Beschwerden, die ich über Jahre und auch von La Gomera bis Lanzarote hatte, könnten Anfang des Jahres auf eine Ursache heruntergebrochen werden: Borreliose. Seit der Antibiotikakur und den anschließenden Correliuskapseln fühle ich mich 15 Jahre jünger. Gerade jetzt auf Wanderschafft fällt es gigantisch auf. Es geht so viel mehr und so viel leichter im Kopf. Von wegen Depression. Bakterien haben all meine Energie einfach aufgefressen, Gelenke übersäuert, Nerven geschädigt, Hautausschlag und Taubheit verursacht, mindestens sieben Jahre lang. Und ich nahm an, das wäre der normale Altersverfall. Nee. Nicht so schnell. Aber wie sollte ich das wissen? Jetzt weiß ich’s und zurück bleibt die Euphorie, dass weiterhin vieles möglich bleiben wird, was vorher schwer fiel.
Gegen 9 Uhr breche ich nach Croissants und Milch auf. 11 Kilometer sind es nur, dafür aber knapp 700 Höhenmeter. Langsam geht es in Richtung des Camino de los Alto, GR 133, der über der Smogschicht als Höhenweg den Teide umrundet. Ganz im Gegensatz zu Lanzarote wird das hier eine reine Gebirgstour. Das Meer werde ich nur ganz zum Schluss beplanschen können. Und ob der GR 133 wirklich da ist, ist ebenso nicht klar. Ich habe einen GPS Track von einem Belgier bekommen, der ihn vor knapp 10 Jahren getrackt hat. Im Netz ist sonst nichts Brauchbares zu finden.
Heute steht alles im Zeichen von Kreisen, Blasen und Kugeln. Ich mache einen auf Jochen Schweizer und habe mir für die Nacht ein Bubble Hotel gegönnt, dass an einem Hotel Rural angeschlossen ist. Ich bin ganz aufgeregt. Die Dinger sehen aus wie kleine Marshabitate und irgendwie passen sie perfekt in diese Landschaft mit diesem lichtemissionsarmen Himmel über der Smogwolke. Ich will mal leibhaftig erfahren, ob das jetzt Lifestyleblödsinn ist oder tatsächlich so ne breathtaking wildlife experience, wie es immer umworben wird. Ich meine, ich habe unter freiem Himmel auf dem Pico die la Cruz genächtigt und das hier soll besser sein? Wir werden sehen. Gegen 13 Uhr erreichen ich nach einem geschmeidigen Aufstieg über kleine Wanderwege und steile Bergaträßchen das Hotel. Es ist noch 2 Stunden geschlossen, aber ich darf schonmal den Pool beplanschen. Das ist mir recht. Da kann ich rumliegen, Sachen waschen, schonmal was schreiben und lustige Unterwasserfotos machen, bevor ich Astronaut werde und in mein futuristisches Marshabitat einziehe.
Um 15 Uhr ist es dann soweit. Ich darf einchecken und werde in diese unfassbar neuartige Technologie samt Jacuzzi eingewiesen. Die Bubble ist aber noch abgedeckt. Deckt man sie auf, hat man eine Sauna. Hmm… da komm ich glatt in Versuchung… hehe.
Nach dem Abendessen wird sie erst entblößt. Bis dahin sind’s noch 4 Stunden. Und so sitze ich vor der Klimaanlage in der abgedeckten Blase und denke so vor mich hin, wie es wohl wäre, so eine Blase auf dem Mars zu bewohnen für immer. Wie viel KI wäre wohl nötig, um mich am Leben zu erhalten, ohne dass ich das alles wissen muss. KI ist so nah gekommen im Leben. Die Besitzerin des B&B heute morgen hat Alexa wie eine selbstverständliche Hilfskraft herumkommandiert, während sie die Küchenarbeiten erledigte. Lustigerweise nannte Sie sie tatsächlich „Computer“ anstelle von „Alexa“. Vielleicht kann KI ja auch meine Eindrücke von dieser Reise interpretieren. Es gibt Apps, die das anstellen können. Coole Idee. Das mache ich, für jeden Tag ein Bild durch KI errechnen lassen anhand eines geschilderten Eindrucks. Mal sehen, was dabei herauskommt!
Nach einem Abendessen aus Meeresfrüchtesalat mit Muscheln und schwarzen Fischtortellini wird es kühler und meine Habitatblase wird von der Besitzerin feierlich gelüftet. Ohje. Mir schwant, das wird eine kreative Nacht auf der Suche nach den coolsten Motiven mit diesem Teil gepaart mit Blubberblaseneinlagen im Hot Pot. Dazu gibt’s eine Flasche Sekt mit kleinsten Bläschen aufs Haus. Und so wird es langsam dunkel. Endlich kommt der Pro-Modus der Kamera mal zum Einsatz. Das kann man nicht einfach knipsen, jetzt ist schon ein wenig Fähigkeit gefragt. Hmm… lange her, dass ich das gemacht hab, also: ISO so weit runter wie möglich… 64. Offenblende. 30 Sekunden Belichtungszeit. Selbstauslöser, um Wackler zu vermeiden. Huii, die Tüftelei macht echt Spaß. Was dabei herausgekommen ist, finde ich der Atmosphäre ebenwürdig.
Gegen 1 Uhr nachts ziehen Wollen auf und das Spektakel nimmt ein Ende, bevor ich die Milchstraße sehen kann. Ich find’s schade und bin erleichtert zugleich. Wollte in Anbetracht der morgigen, ersten langen Etappe nicht erst im Morgengrauen ins Bett. Ich lege mich ins Bett, schaue in den Nachthimmel und lasse die KI noch ein paar Impressionen errechnen. Was dabei herauskommt, sammle ich über die nächsten Tage auf einer separaten KI-Seite ;-)