GR131 2019 Fuerteventura

07.11.2019 Los Gorriones

  

Das war wohl die beste Herberge, die ich bislang erlebt hab in Sachen Gemütlichkeit. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass ich nicht mehr so recht dahin gehöre. Ich will nicht sagen, ich bin zu alt. Aber auf dem Jakobsweg und in Island war es noch natürlich. Jetzt nur noch günstig. Oder ich mag die Surfertypen nicht. Ich mag Rumgechille nicht. Ein Raum, von mir aus auch in Form eines Zeltes, in dem ich allein bin, ist mir wichtig geworden. Gestern Abend saß ein Mann im Aufenthaltsraum mit Bluetoothkopfhörern auf, Netflix schauend. Ich hätte ihn nach ner halben Stunde Dauer-Plopp-Schmatz-Schleck-Klock-Pups für seine Essgeräusche ein Kissen in den offen Mund pressen können. Also Kopfhörer rein und ignorieren. Ich will im Urlaub aber genau das nicht, Ignorieren. Dennoch, so ne Doppelbettkiste will ich auch!
Aber nun gehts erstmal in Richtung Sandwüste entlang der schroffen Westküste. Das Wetter hat sofort geblickt, dass ich jetzt Wolkenlos für schöne Bilder brauche. Niemand ist da. 7km Brandung, Gischt und Wasserexplosionen für mich allein. Ich versuche ein paar Hotspots von vor 25 Jahren wiederzufinden. Ein Krater, der ins Wasser offen ist, ein erosionsgetriebenes Loch im Sandstein. Das Loch ist noch da. Es hat sich vergrößert. Die Küste ist davon abgesehen voller bizarrer Sandskulpturen. Ich bekomme gar nicht mit, wie schnell ich auf Höhe meines Ziels auf Ostküstenseite bin. Meine App sagt, hinter den Windrädern spätestens rüber. Der GR131 verläuft sprichwörtlich im Sande. Ich kreuze ihn nur einmal beim Überqueren der schmalsten Stelle Fuerteventuras zwischen der Ost- und Westküste. Der Windpark über Costa Calma hat sichtlich seine Zeit gehabt. Etwa 50 korrodierte Räder stehen hier. Etwa ein Drittel dreht sich sogar in Windrichtung, der Rest rostet vor sich hin oder hat die Rotorblätter verloren. Daneben eine Vestas-Windparkruine, bei der teils nur noch Maststümpfe in den Himmel ragen. Das nenne ich mal Energiewendefriedhof. Fraglich, ob die Laufenden noch am Netz sind. Mein Weg führt zielsicher auf eine FV1-Autobahnunterführung zu und damit in die Welt des Massentourismus zurück. Hmm... schon witzig, aber man könnte tatsächlich sagen, die Autobahn unterteilt die Insel in Ursprünglich auf Westseite und Masse auf Ostseite. Eine Zufahrtsstraße führt zum Meliã Fuerteventura, früher Los Gorriones, einem Surfermekka und mein heutiges Etablissement. X mal da gewesen in den 90ern. Jetzt endlich mal drin und ehrlicher Gast, der die Poolanlage auch legal nutzen darf. Was heißt schon Poolanlage. Das Ding ist ein Freizeitbad mit vier Becken. Am Strand weht die gelbe Flagge. Hohe Wellen. Der Wind kommt ausnahmsweise von Norden, ganz zur Freude der Kite Surfer. Auch hier hab ich das Gefühl nicht dazu zu gehören, nur von der anderen Seite. In der Anlage liegt viel Fleisch herum, das rosa Bändchen zum Selbstabfüllen am Armgelenk trägt. Geschätzte 90% schauen dabei ins Handy. Eine Frau mit Kindle. C'est ça.
So sehr ich innerlich versuche mich davon zu distanzieren, ich habe selbst stetig das Gerät bei mir. Ich bin nicht anders. Ich bin Teil der Masse. Ich bin wie ein Raucher, der kopfschüttelnd andere verurteilt, die Aspertam in Form von Cola Light konsumieren, obwohl doch alle sagen, man bekäme davon Krebs.
Alle haben schon wieder bessere Handys als ich. 2016 besaß ich Sonys Flagschiff mit dem Z5. Jetzt haben Handys zwar immer noch sehr identische Hardware, aber dafür keine Ränder mehr, 3-5 Kameras, 'n paar GB mehr Speicher, keine Klinkenbuchse oder FM Radio (igitt bääh wie oldschool, geh mir wech damit, ich will Unterwasserbluetoothkopfhörer njamnjam!) und bunt schillernde Rückseiten. Wie leicht man sich blenden lässt. Meins altert trotzdem rapide. Sony sagt "Updates gibts nimmer, kauf gefälligst neu, du Greta du! Du IT-Öko!". Ich sollte besser wieder zurück und durch das Loch auf die andere Seite der Autobahn verschwinden. Aber da kommt nur noch Cofete. Und das ist erst übermorgen dran.