Etappen

15.06.2016 Kali Limenes

  

Der Tag heute war mehr eine Pflichtveranstaltung. Es galt die Berge im Süden zu überqueren und das ohne Wolken. Der Weg, den ich mir zurecht gelegt hatte, führt allerdings durch ein regelrechtes Pistengepflecht in alle Richtungen bergauf und bergab durch karges Ödland, das von Ziegen bewohnt ist. Alle paar hundert Meter muss ich auf der Karte nachsehen, ob ich Weg 1, 2 oder 3 wählen muss. Der Sonnenstand hilft da nur bedingt. Der war senkrecht. Naja, so quält man sich von Gabelung zu Gabelung und 4,5l Wasser später sehe ich dann auch die Südküste. Endlich. Problem nur, dass in meinem Zielort, einer kleinen Hafenbucht namens Kali Limenes, zwar eine Insel mit Öltanks vorgelagert ist und alles geschäftig wirkt, aber keine Rooms in Sicht sind. Dafür eine lange Sandbucht und eine Menge provisorischer Bretterbuden, Wohnwagen und Bauruinen, auf einer Anhöhe eine Hotelruine. Das sollte hier wohl alles mal was werden, wurde es dann aber wohl nicht. In einer der Buden gibt's immerhin Eis. Könnte jetzt hier mal zelten. Will ich aber nicht. Wenn ich an den Inhalt meines Rucksacks nach all den Sonnenwanderungen bislang denke, weiß ich genau, wohin große Teile des Wasserverbrauchs gelandet sind, auch wenn ich alles in Plastiktüten gewickelt hab. Heute muss ich die nächsten 4 Tage gut durchplanen. Die folgenden Strecken führen kaum noch an Dörfern vorbei und ich muss ein Ziel erreichen, von dem ich auch einen Bus zur Hauptstadt zurück nehmen kann. Dort hab ich vorgestern schonmal ein Zimmer gebucht. 220 Euro sind noch übrig. Bekloppterweise werden hier meine Bankkarten nicht akzeptiert an den Automaten. Unterkunft bezahlen geht aber. Für heute hab ich dann doch noch 2km später eine abgelegene Taverne gefunden, die im Garten Rooms hat. Nicht doll, aber tut seinen Dienst. Ich häng bis zum Abendessen eh nur am Strand rum und schau dabei zu, wie ein Sonnenschirm von zwei Sonnenanbetern auf und davon nach Libyen wegweht.
Und das Wasser hier ist auf einmal kalt geworden! Vielleicht liegts an dem starken Wind, der seit gestern bläst.
Ich bin ja immer wieder darüber fasziniert, wie sich vermeintliche Bruchbuden von Tavernen gegen 20 Uhr abends langsam aber stetig mit der örtlichen Bevölkerung füllen. Ich sitze gerade in der Taverne zu meinen Rooms. Eine Terrasse mit Wellblech, ein Zehnjähriger serviert etwas verlegen mir mein Essen. Papa sagt, er soll das aber er will nicht so recht. Lieber bei den anderen, die ihn alle kennen und in den Arm nehmen. Eine größere Runde bildet sich am Nebentisch. Darunter zwei alte Männer, die unten am Strand in Wohnwagen wohnen, eine Familie mit zwei Mädchen, von der sich eine immer auszieht, ein Polizist, der auf einem Tablett an der Veranda vier Handys ausbreitet, die ihn in regelmäßigen Abständen von der Gruppe wegziehen. Seine Stimme klingt wie die des Zehnjährigen, wenn er angeregt gestikulierend die Treppen rauf und runter geht. Über mir explodieren Mücken in einer von diesen Neon-Fliegenfallen und verbreiten ein herrliches Kaminzimmeraroma. Der Wirt hat sich gerade mit Raki bei mir entschuldigt. Sein Bruder hat eben versucht die Wassertanks auf dem Dach der Rooms zu reparieren. Dabei ist ein Schlauch abgefallen und hat den Tankinhalt über das Dach laufen lassen. Es kam zwischen meinem Room und der Toilette durch die Decke. Das trocknet gleich, versichert er. Ich mach da mal heute nicht mehr das Licht an.
Hier gibt's kein WLAN. Boah, da wird so ein Abend dann doch irgendwie lang und ich denk nur an Essen. Zum Ablenken schreib ich jetzt einfach alles auf, was ich sehe, bis es dunkel wird. Und je dunkler es wird, desto mehr Kaminzimmeraroma entfaltet sich... hmmmh... Rings um mich herum sind jetzt tatsächlich alle Tische besetzt. Ein Brüllwürfel macht griechische Musik und die beiden alten Männer können alle mitsingen. Ich hab auch endlich diesen Takt raus. Erst einmal 4/4, dann 5/4 im Wechsel. Oder zwei 4/4 und hinten nochn Absacker, wie man's nimmt, da passiert musikalisch nämlich meist nicht mehr viel außer Deeeehnung. Die Türken machen viel 9/4. Hmmmh. Mir wird nur ein bisschen mulmig wegen morgen. Keine Ahnung, wo ich genau landen will. Hab ne Bucht ins Auge gefasst, die 15km Luftlinie entfernt ist. Aber was heißt das schon. Jedenfalls plane ich erstmal grob, morgen zu zelten. Oder auch nicht. So, es ist dunkel und Explosionen hab ich nun auch genug gehört. ;-)