Etappen

27.09.2015 Sirikari

  

Die Sonne weckt uns. Buaah, hätte sie das mal nicht getan. Es wird schlagartig schwül und heiß. Das Zelt ist zur Wasserzisterne transformiert und mein körpereigener Duschmechanismus setzt ein, um nie wieder aufzuhören. Wir packen zusammen. Es geht rauf und raufer und nach kurzer Zeit haben wir den Weg verloren. Das ist nicht schwer. Wenn er mal ausgezeichnet ist, dann durch ein Relikt, das mal vor 20 Jahren irgendwo angebracht wurde und schemenhaft E4 auf schwarzgelbem Grund erkennen lässt. Zuverlässige Gpx Tracks gibt es auch nicht und der Outdoorführer, den es schon garnicht mehr gibt und den ich nur per irrem Zufall von einer Kollegin von Lois bekommen hatte, die sich als Autorin des Führers herausstellte, ist auch schon 12 Jahre alt. Gestern im Restaurant hab ich vorsorglich mal die Googlekarten der Insel gezogen. Wir halten uns mehr an die Straßen, die genauso schön zu den Ortschaften kurven. Kein Auto fährt, manchmal ein Pickup mit der frischen Weinlese. Wasser ist hier wieder mal kein Problem. Jeder Olivenbaum hier oben wird bewässert mit abenteuerlichen Konstruktion, die den künstlichen Borg-implantaten, die bei der willkürlichen Assimilation fremder Spezies wie Geschwüre entstehen, nicht unähnlich sind. Aber hauptsache irgendwo hängt noch ne rostige Wasseruhr dran, ob sie nun funktioniert oder vor 10 Jahren stehen geblieben ist. Ohne geht nicht. Wenn ein Schlauch kaputt ist, liegen drei daneben. Die Wasserverteiler entpuppen sich als perfekte Wassernachfüllstationen für unseren Vorrat. Sie lecken überall zuverlässig. Unser nächstes Ziel soll ein Dorf namens Sfinari sein, zu dem sich eine Bergstraße hinabschlängelt. Und wir erreichen auch endlich mal ein Bergflüsschen. Zeit zum ausgiebigen Waschen und Pause machen. Hier ist Schatten und ich hab leichten Sonnenbrand. Wer weiß, wie lange wir noch unterwegs sind.... Naja, das war schnell geklärt. 5 Minuten nach dem Flüsschen erreichen wir ein Haus und werden von dem dort wohnenden Pärchen zu Wein und Käse eingeladen. Sie haben auch ein Zimmer... Also warum nicht einfach hierbleiben. Wir sitzen zusammen mit ein paar ziemlich neugierigen Griechen um einen Tisch im Innenhof und tauschen uns so gut es geht mit englischen Sprachfetzen aus. Stellios, 47, unser Gastgeber und seine Freundin Argiro, 35, bewirtschaften das Haus zusammen mit seinem Vater Spiros, 78. Stellios lebte lange in Heraklion und hat dort auch noch einen Sohn. Bis die Krise vor 3 Jahren anfing, hatte er 22 Jahre lang eine Bar im Flughafen, bis man sich entschied, die Flächen an Privatunternehmen zu verkaufen. Ein 47-jähriger Barkeeper hat da eher gestört. Also ist er zu seinem Vater gezogen, hat mit ihm das Haus fertig gebaut, präpariert jetzt Wanderwege, bringt Jugendlichen Wind Tsun bei und läd Gäste nach Hause ein, die oben im Zimmer übernachten können, oder nur um seinen selbst hergestellten Wein, Honig oder Kräutersäckchen zu kaufen. Argiro ist die Köchin. Der Vater spricht am besten Englisch und war in den 60ern häufig in Europa unterwegs, um zu arbeiten. Alle drei sind im Grunde froh, wie es gekommen ist. Für sie könnte es kaum schöner sein. Nach Heraklion zieht es Stellios nunmehr einmal im Monat, um seinen Sohn zu besuchen. Dort würde man die Auswirkungen der Krise schon wahrnehmen. Am Ende ist es aber scheinbar hier genauso wie in Deutschland: den politischen Zwist gerade in Bezug auf Deutsche bekommt man hier eher nur über die Medien vermittelt. Stellios versucht sichtlich alles, um das Image ins rechte Licht zu rücken. Wir fahren zusammen ins Nachbardorf. Dort ist ein Minimarkt und wir können Proviant kaufen und er eine neue Telefonkarte. Danach zeigt er uns noch eine Kapelle in einer Tropfsteinhöhle, die nicht weit weg ist. Die Mikrokapellchen am Wegesrand, sagt er, würden aufgestellt als Mahnmal und Erinnerung nach einem Autounfall. Und davon gibt's hier oben wohl viele. Er selbst kreuzigt sich vor jeder engen Kurve. Schade, meine Mäusegeschichte wollte er nicht bekräftigen. Mir ist aufgefallen, dass nahezu jedes Ortsschild Einschusslöcher hat. Er erklärt, es wäre Brauch bei einer Heirat darauf zu ballern.
Beim Abendessen, bekommen wir Salat, Omletts, die sehr an die spanischen Tortillas erinnern, und einen Eintopf, der ähnlich wie Grünkohl schmeckt. Alles trieft vor Olivenöl. Dazu gibt's den selbst hergestellten Wein. Und der Vater erzählt von seiner Kindheit und erklärt, wie wir morgen am besten zur Südküste gelangen. Stellios will uns morgen mit dem Auto ein Stückweit zum nächsten Dorf Kampos fahren. Den E4?.... Davon haben sie noch nie was gehört. Sie finden es etwas komisch, dass man die ganze Insel überqueren will.