Blickwinkel Oliver

09.07.2015 - Nuuk im Sommer

  

Die zweitgrößte Stadt Grönlands kennen wir mittlerweile so genau, dass wir eine Art zu Hause Gefühl entwickelt haben. Die Beine sind ausgeruht und ich geh morgens ne Runde laufen zur anderen Seite des Ortes, wo der ACT beginnt. Keine Kinder im Ort. Scheint gerade Schule zu sein. Wenn man sich einmal an die Kargheit gewöhnt hat kann man sich vorstellen, dass man hier nicht nur überleben, sondern auch glücklich werden kann, insofern man daran genauso gewöhnt ist, dass der nächste Ort genauso schwer erreichbar ist wie bei uns vor 200 Jahren. Es ist sicherlich eine Frage dessen, womit man aufwächst. Trotzdem, die Legebatterien aus den 60ern bleiben eine drastische Fehlentscheidung.. Darin würde man auch in Paderborn selbstmordgefährdet werden. DDR-Plattenbauten wirken im Vergleich urgemütlich. Gegen 13 Uhr geht's die lange Straße hinter der einzigen Straßenbrücke Grönlands hinauf zum Flughafen, der das Flair vom Bahnhof in Horn-Bad Meinberg hat. Ein Haus mit einem kleinen Tower, ein Schalter, Kaffeeautomat, ein Schild, falls man sich verläuft: Gate 1. Draußen eine doch recht überschaubare Landebahn, auf der schließlich eine Miniausgabe einer Dash 8 landet und uns in 50 Minuten zur Landeshauptstadt Nuuk bringt. Es ist deutlich kälter hier. Noch so ein Bahnhof von der Größe Paderborns, an dem einige Einheimische die Ankömmlinge mit wild geschwenkten, grönländischen Fähnchen willkommen heißen. Schnell sind alle in ihren 5,7l-SUVs verschwunden. Nach 5 Minuten ist es still. Wir nehmen den Bus, der gerade kommt. Linie 3. Naja, wird wohl irgendwie nach Nuuk fahren, schätze ich und wir steigen ein. Es geht erstmal in die andere Richtung, in ein neues Viertel auf der anderen Seite des Fjords. Dem Anschein nach würde ich vermuten, dass keines der Häuser älter ist als 10 Jahre. Zwar sind die Fassaden auch hier kunterbunt und karg, aber es wirkt doch alles irgendwie städtisch und kultivierter als in Sisimiut. In Richtung Zentrum setzt sich der Eindruck fort. Mag sein, dass es immer noch wie ein Außenposten im weithin unbewohnten Nichts ist, aber hier lässt es sich leben. Im Bus studiere ich den Busplan. Bei Google hab ich gesehen, dass wir ganz zum Nordwesten der Stadt müssen und wir steigen einfach mal bei Haltestelle Nr. 8 aus und folgen einer abzweigenden Straße hinauf in ein Wohnviertel. Ich werde etwas ungläubig, dass hier gleich ein Hostel auftauchen soll. Dann wird der Weg zur Schotterpiste, die hinter einer Bergkuppe dort endet, wo wir tatsächlich hin sollen. Eine Frau begrüßt mich von weitem mit "Oliver?" Ha! Hier kennt man mich! Liisi, die Betreiberin, mit der ich im Winter gemailt hatte, hat sich letztes Jahr gedacht, es wäre eine gute Idee für die einheimischen ein schönes Ausspanndomizil zu errichten, denn das gäbe es hier gar nicht. Es besteht aus 4 Hütten auf einer Klippe mit einer vorgelagerten Insel und Strand und einem kleinen Café, in dem sie Fisch, Fischsuppe und Moschusochsenburger anbietet. Es ist herrlich und nachdem ich noch kurz im Supermarkt in der Innenstadt war auch tatsächlich eine echte Wohlfühloase in Nuuk. Die Innenstadt selbst könnte durchaus eine mittelgroße Stadt in Dänemark sein. Aber auch hier stehen noch die Industrialisierungssünden der 60er. Wir lassen uns abends bei Liisi die Burger machen. Sie setzt sich zu uns und wir kommen ins Gespräch. Eine kleine Gruppe grönländischer Jugendlicher sitzt auf der einen Seite und singt einheimische Volkslieder; eine Vereinigung verschiedener Chöre des Landes, die sich hier eine Woche treffen und zusammen Ferien machen. Der Verein sponsert die Flüge denn einige der Leute kommen von 2000km weit entfernten Dörfern an der Ostküste. Auf der anderen Seite des Cafés sitzen mehrere Frauen mit Strickzeug... Das örtliche Strickkaffeekränzchen. Kaum hatte sie eröffnet, meint Liisi, lief es gut. Die Leute hätten so einen Ort gebraucht hier. Es würden auch viele Leute aus der Stadt kommen, die mal ein paar Tage frei von den Kindern haben möchten. Die meisten Familien leben in den Häusern eng beieinander. Liisi hat noch ne Menge zu tun und sie wirkt hier und da noch etwas unorganisiert und hektisch. Das Café hat sie erst einen Monat zuvor eröffnet und ihre Tochter hilft ein wenig aus. Aber wir fühlen uns pudelwohl. Morgen geht's im die Stadt Häuser zählen. Das ist auch hier nicht schwer ;-) ...Und vielleicht endlich auch ins Kino Terminator gucken ja??