Blickwinkel Oliver

03½.07.2015 - Riesen

  

Riesenkinder räumen nie ihr Spielzeug weg. Also liegen die Gipfel voller kleiner Steinklötze. Sie lieben es kleine Steinmännchen zu bauen und bemalen sie mit gehässigen roten Augen, die einen halb zugekniffen anstarren mit einem Blick aus einer Mischung aus Neugier und Hinterlist. Des Nachts erwachen sie zum Eigenleben, bewässern die Wiesen neu, um sich des Tags daran zu erfreuen, wenn watschige Menschlein in die torfigen Löcher treten und die braune Soße ins Gesicht klatscht. Wenn man meint sie kichern zu sehen, erstarren sie wieder zu den unbeweglichen Steinmännchen und zeigen einen den vermeintlich richtigen Weg, der doch nur wieder ins nächste Wasserloch führt. Es ist ein bisschen wie mit Schroedingers Katze. Gucke ich nicht hin, passiert das alles. Erfasse ich es dann mit meinen Augen, bleibt der immer wieder neue Hindernisparcours, bewacht durch die starrenden Männchen. Und das alles nur, weil die Riesenkinder ihr Spielzeug nie wegräumen. Glaubt ja nicht, ihr macht mir Angst! Ihr nicht! Dafür ist hier zu wenig Kriechwald, ich sehe euch immer, genauso wie all eure kleinen Vampirhelferlein. Ich habe die starke Vermutung, wenn ich hinschaue sind es die schwarzen Flechten auf den Spielklötzen auf den Gipfeln. Wenn ich wegschaue, entfalten sie ihre Flügelchen und Beinchen, um auf mich zuzuschwirren und mich auszusaugen, denn ich habe noch keine fotografieren können. Es sind schließlich die Flechten, die ich ablichte. Die Seen sind Tore in die verkehrte Spiegelwelt, die sich öffnen, wenn gegen 4 Uhr nachts der Wind vergeht. Doch immer wenn ich einen Schritt versuche hineinzugehen, verschließen sie sich und zeigen nur noch das gekreuselte Wasser und darunter vielleicht ein paar flüchtende Sprotten. Und ich bin natürlich wieder nass. Es ist gemein, dass man sieht, dass das alles da ist und einen umgibt. Aber niemand glaubt einen, denn wenn man hinschaut oder darauf zugeht, ist es ja gleich wieder getarnt und verschleiert. Schlau andererseits sich so vor der Welt zu verstecken und seit Millionen von Jahren unbeobachtet zu bleiben. Eigentlich sehen wir hier ohnehin nur den Rand der Riesenwelt, die sich geschützt durch eine teils 3,5 km hohe Eindecke versteckt und den Eindruck vermitteln soll, hier wäre nichts außer Kälte. Wie falsch wir doch liegen, wenn wir meinen, unsere Augen können alles Nennenswerte erfassen, um es zu begreifen. Die Landschaft abseits des Eises wirkt von oben auch nur eintönig und karg. Das ändert sich, wenn man schrumpft und die Größe einer Mücke annimmt. Nur weil wir 2 Meter groß sind und alles überschauen können heißt das nicht, es gäbe hier keinen undurchdringlichen Jungel voller Leben. Wären wir 100m groß, sähe der Urwald Brasiliens genauso aus. Also muss man sich manchmal 100 mal kleiner machen, durch die tiefen Wälder vordringen und in den Wiesenwasserlöchern tauchen gehen. Und dass die Riesen alles Große und Kleine pflegen wissen wir ja bereits.