Blickwinkel Oliver

02.07.2015 - ACT Tag 5

  

Mittlerweile haben wir uns an unsere mobilen Einmannhäuschen richtig gewöhnt. Hätte nicht gedacht, dass mich wie heute der Gedanke umtreibt das Zelt der bevorstehenden Hütte am Endziel der heutigen Etappe vorzuziehen. So lag ich da heute Morgen um 6 Uhr und lauschte dem vertrauten Vielklängen der sechsbeinigen Vampire, als auf einmal ein ganz neues, undefinierbares Geräusch zu dominieren begann. Es klang wie ein Knall, war regelrecht laut. Dann noch ein Knall, noch einer, immer mehr! Erst irritiert und dann erstaunt musste ich feststellen, dass es Regen ist. Das hört sich blöd an, aber damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Muss zugeben, dass ich bislang ein ziemlich verwöhnter Hiker bin. Aber hier wird Regen spürbarer als in milderen Gegenden: die Temperatur sank auf 8 Grad, heftiger Wind schwoll auf und ich sah uns schon schlotternd über die anstehende Hochebene schliddern. Der erste Gedanke, während meine Einkubikmeterzuflucht zur Sardinenbüchse mutierte, war den Notausstiegsknopf zu suchen, denn das hab ich so nicht gebucht! Gab es aber nicht. Da ist keine Alternative außer weiter laufen. Also der Griff zum Buch. Das sagt, jede weitere Etappe endet an einer Schutzhütte. Na immerhin, das beruhigt mich. Ich rufe zu Frances, das wir aufbrechen sollten. Ich halte nichts von abwarten und hoffen. Das ist nur Zeitverschwendung. Der mutige Blick aus dem Zelt, der das Innere sogleich zum Feuchtbiotop werden lässt, zeigt dann aber Erstaunliches. Über unserem Bergkamm quält sich eine dicke Wolke hoch. Davor blau, dahinter blau. Versteh ich nicht. Aber abwarten erscheint jetzt doch ratsam. Eine Stunde später ist es vorbei. Was bleibt ist ein milder Wind, der sogleich damit beginnt die Blümchen und damit auch unsere Zelte trocken zu föhnen. Ich bin sehr sehr seeehr erleichtert. Denn für Dauerregen bin ich denkbar minimalistisch ausgerüstet. Damit kann ich zwar umgehen, aber Frances wird das Herz nicht nur in den Schoß rutschen, sondern den nächsten Abhang hinunter auf nimmer Wiedersehen. Feststellung des Tages: Regen ohne Zuflucht auf einer arktischen Insel macht mir Angst. Will ich nicht. Den Vormittag über bleibt es windig und kühl und ich ziehe zum ersten Mal alle meine Zwiebelschalen an, bis ich warm gelaufen bin. Auch die Mücken wurden plattgeregnet. Zum Strecke machen ideal und so kommen wir 3 Stunden später an einer Schutzhütte an, die wir fürs Frühstück angepeilt haben. Keiner da. Umso besser. Ovomaltine wartet und wir sind guter Dinge. Ohne Sonne ist es zwar gleich 20 Grad kälter, aber deutlich angenehmer bis Mittag. Die Hütten dienen auch im Winter für die Inuit als Schutzhütte. Wir finden immer wieder Spuren von Motorschlitten, die noch nicht sehr alt sein können und zurückgelasse Felle von der Jagt. Im Winter entsteht eine Verbindungsstrecke zwischen Sisimiut und Kangerlussuaq. Man fährt anscheinend einfach über die zugefrorenen Seen. Das erklärt jedenfalls, warum die Spuren oft direkt in die Seen führen und hinten wieder hinaus. Dann gegen Nachmittag verschwinden die Wolken und wir haben viele Gelegenheiten in kleinen, bis 20 Grad aufgewärmten Bergseen zu schwimmen. Anders als die großen im Tal sind sie richtig aufgeheizt worden. Der Mücken wegen pausieren wir grundsätzlich auf Steinplateaus. Frances nennt sie Riesenhäuser... also Häuser von Riesen und wir sitzen auf dem Dach. Da müssen wir natürlich leise sein und auf keinen Fall die kleinen Steingewächsgärten zertreten, die sie bekanntlich hegen und pflegen wie einen Schatz! Gesehen haben wir sie noch nicht, aber das ist auch logisch. Nur ein Schneehase scheint heute vor einem von Ihnen geflüchtet zu sein. Perfektes Jagttier muss ich sagen... Mit schwarzem Strich am Hintern, damit man es auch gut anvisieren kann. Weiter gings durch eine riesige Wasserwiese und einen Fluss, bis auf einer Anhöhe endlich unser Zielhüttchen stand. Und hier sitz ich, außer uns keiner hier, über eine Leine quer durchs Zimmer hängen die nassen Zelte und ich bin glühend heiß... Was es einfach macht die paar Mücken im Raum noch zu fangen. Hier liegt ein Klatschblatt von Sisimiut herum zum Müll einwickeln. Hmm, mal sehen... Oh, die Kommune Qeqqata hat noch Bauplätze in einem neuen Wohnviertel mit Seeanschluss zu vergeben... Im Kino läuft Jurassic World, montags mit dänischen, dienstags und donnerstags mit grönländischen Untertiteln... Café Taserlik bietet Moschusochsenburger an... Njam! Aber nur montags. Ooooch.